Seit Beginn der aktuellen Legislatur am 8. Mai 2023 haben im Zürcher Kantonsrat 25 Mitglieder ihren Rücktritt eingereicht. In den meisten Fällen rückt die auf der Ersatzliste erstplatzierte Person nach. Bei den Grünen aus Winterthur ist dies jedoch anders. Hier haben drei Frauen, die vor dem aktuellen Nachrücker Florian Meier platziert waren, auf ihr Mandat verzichtet.
Wichtige Punkte
- 25 Kantonsräte sind seit Mai 2023 zurückgetreten.
- In 21 Fällen rückte die erstplatzierte Ersatzperson nach.
- Drei Frauen der Grünen Winterthur verzichteten auf ihr Kantonsratsmandat.
- Gründe für den Verzicht sind politische Neuorientierung, familiäre und berufliche Verpflichtungen sowie die Konzentration auf das Stadtparlament.
- Der Frauenanteil im Kantonsrat erreicht mit knapp 47 Prozent einen Höchststand.
Rücktritte und Nachrückverfahren im Kantonsrat
Der Zürcher Kantonsrat, bestehend aus 180 Mitgliedern, erlebt regelmässig Wechsel während einer Legislaturperiode. Üblicherweise folgt auf einen Rücktritt die Person, die im jeweiligen Wahlkreis und bei der betreffenden Partei den ersten Ersatzplatz belegt. Dieses Verfahren gewährleistet eine reibungslose Fortführung der politischen Arbeit.
Bis Ende Oktober 2023 wird dieses Standardverfahren bei 21 von 25 Rücktritten angewendet. Die Kontinuität der Vertretung bleibt somit in den meisten Fällen gewahrt. Die Situation bei den Grünen Winterthur stellt hier eine deutliche Ausnahme dar und wirft Fragen bezüglich der Nachfolge auf.
Faktencheck
- Anzahl Rücktritte seit Mai 2023: 25
- Nachrücker vom ersten Ersatzplatz: 21
- Aktueller Nachrücker für Grüne Winterthur: Jonas Pfister (viertes Ersatzmitglied)
Die Situation bei den Grünen Winterthur
Für Florian Meier von den Grünen des Wahlkreises Stadt Winterthur rückt aktuell Jonas Pfister nach. Er ist bereits das vierte Ersatzmitglied auf der Liste. Vor ihm waren drei Frauen platziert, die alle auf ihren Sitz im Kantonsrat verzichtet haben. Dies führte dazu, dass die Grünen Winterthur weiterhin durch zwei Männer, Florian Heer und Jonas Pfister, im Kantonsrat vertreten sind.
Isabelle Meier, Co-Präsidentin der Grünen Winterthur, hat die Gründe für diese ungewöhnliche Situation erläutert. Ihre Erklärungen geben Einblick in die persönlichen und politischen Entscheidungen der drei Frauen.
Gründe für den Verzicht der Frauen
Die Gründe für den Verzicht der drei Frauen sind vielfältig und spiegeln individuelle Lebensumstände und politische Prioritäten wider:
- Anouk Wolf: Sie ist politisch für die Grünen nicht mehr aktiv. Dies deutet auf eine Neuorientierung ihrer politischen oder persönlichen Aktivitäten hin.
- Ramona Lüthi Wittmann: Für sie ist das Mandat nicht mit ihren beruflichen Verpflichtungen und der Betreuung von bald zwei Kleinkindern vereinbar. Eine solche Doppelbelastung stellt für viele Politikerinnen eine grosse Herausforderung dar.
- Corinne Hertli: Sie ist erst im Februar 2023 ins Winterthurer Stadtparlament nachgerückt und möchte sich weiterhin auf diese Aufgabe konzentrieren. Obwohl es rechtlich zulässig wäre, beide Ämter gleichzeitig auszuüben, lehnt sie dies aufgrund ihres beruflichen Engagements ab. Zudem finden die Sitzungen beider Parlamente am Montag statt, was eine terminliche Kollision darstellt.
«Als Partei achten wir sehr darauf, Frauen zu fördern», sagt Isabelle Meier. Sie fügt hinzu: «Es wäre natürlich schön gewesen, wenn aus Winterthur eine Frau nachgerückt wäre.»
Hintergrundinformationen
Die Förderung von Frauen in der Politik ist ein wichtiges Anliegen vieler Parteien. Die Grünen legen hierauf besonderen Wert. Die Entscheidung von gewählten Personen, ein Mandat nicht anzutreten, kann verschiedene Ursachen haben, die von persönlichen Gründen bis hin zu strategischen Überlegungen reichen.
Herausforderungen bei Doppelmandaten
Die Problematik von Kandidierenden, die auf mehreren Wahllisten gleichzeitig stehen, ist den Grünen nicht neu. Bereits 2019 gab es ähnliche Situationen. Nina Wenger, die direkt in den Kantonsrat gewählt wurde, verzichtete damals zugunsten ihres Sitzes im Winterthurer Stadtparlament.
Anders entschied sich Renate Dürr im selben Jahr. Sie rückte vom ersten Ersatzplatz für Martin Neukom nach, der in den Regierungsrat gewählt wurde. Dürr politisierte daraufhin für rund ein Jahr im Kantonsparlament. Diese Beispiele zeigen, dass die Entscheidung für oder gegen ein Doppelmandat individuell sehr unterschiedlich ausfällt.
Isabelle Meier ist sich der Herausforderung bewusst, die sich aus der begrenzten Anzahl aktiver Mitglieder ergibt: «Als Partei sind wir relativ klein. Natürlich wünschten wir uns mehr aktive Mitglieder.» Dies unterstreicht den Bedarf an einer breiteren Basis an engagierten Personen, um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden.
Frauenanteil im Kantonsrat erreicht neuen Höchststand
Trotz der spezifischen Situation bei den Grünen Winterthur entwickelt sich der Frauenanteil im Kantonsrat positiv. Ab Ende Oktober 2023 werden 84 Frauen im Kantonsrat politisieren. Dies ist ein historischer Höchststand und bedeutet, dass ihr Anteil knapp 47 Prozent betragen wird.
Die Partei mit dem höchsten Frauenanteil ist die Mitte. Sie wird dann neun von elf Sitzen mit Frauen besetzen, was einem Anteil von 82 Prozent entspricht. Die Grünen liegen mit zehn von 19 Sitzen, also 53 Prozent, auf dem fünften Platz im Vergleich der Fraktionen. Diese Zahlen zeigen eine fortschreitende Entwicklung hin zu einer ausgewogeneren Geschlechterverteilung in der kantonalen Politik.
Die Erhöhung des Frauenanteils ist ein wichtiger Schritt für die politische Repräsentation und die Vielfalt der Perspektiven im Gesetzgebungsprozess. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklung in zukünftigen Legislaturperioden fortsetzen wird.





