Zweimal im Jahr bietet sich in Brütten eine besondere Gelegenheit: Der 117 Jahre alte Kirchturm der reformierten Kirche wird für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Kürzlich nutzten rund 30 Besucher die Chance, die 117 Stufen zu erklimmen und die Panoramaaussicht aus 34 Metern Höhe zu geniessen. Die Veranstaltung gewährt nicht nur einen weiten Blick über die Region, sondern auch Einblicke in die Architektur und Geschichte des markanten Bauwerks.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Kirchturm in Brütten ist 34 Meter hoch und wurde vor 117 Jahren im Jugendstil erbaut.
- Besichtigungen sind zweimal jährlich möglich und erfordern den Aufstieg über eine Holztreppe mit 117 Stufen.
- Neben seiner kirchlichen Funktion diente der Turm aufgrund seiner strategischen Lage zeitweise als militärischer Beobachtungsposten.
- Ein 96-jähriger Besucher meisterte kürzlich den Aufstieg und wurde zum ältesten Teilnehmer der Veranstaltung.
Ein Aufstieg mit sportlichem Charakter
Der Kirchturm von Brütten, ein Wahrzeichen der Gemeinde, zieht regelmässig Interessierte an. Die von der Ortskirchenkommission (OKK) der reformierten Kirchgemeinde Breite organisierten Besichtigungen sind eine feste Grösse im lokalen Kalender. Wer die Aussichtsplattform erreichen möchte, muss jedoch eine gewisse körperliche Anstrengung auf sich nehmen.
Eine steile Holztreppe führt über 117 Stufen in die Höhe. Der Weg nach oben führt direkt an den vier imposanten Glocken des Turms vorbei. Besucher werden darauf hingewiesen, den Aufstieg strategisch zu planen, um dem viertelstündlichen Geläut zu entgehen. Die Schallwellen in unmittelbarer Nähe der Glocken können eine erhebliche Belastung für das Gehör darstellen.
Organisation und Durchführung
Die Ortskirchenkommission der Kirchgemeinde Breite ist für die Organisation der Turmbesteigungen verantwortlich. Diese finden zweimal pro Jahr statt und werden in der Gemeinde angekündigt. Ziel ist es, das historische Bauwerk für die Bevölkerung erlebbar zu machen und dessen Bedeutung zu vermitteln.
Bei der jüngsten Veranstaltung Mitte September nahmen rund 30 Personen teil. Die Gruppe setzte sich aus Einheimischen aus Brütten sowie Gästen aus umliegenden Gemeinden zusammen, die von der seltenen Gelegenheit angezogen wurden.
Panoramaaussicht als Belohnung
Nach dem anspruchsvollen Aufstieg erwartet die Besucher eine aussergewöhnliche Belohnung. Die Plattform in 34 Metern Höhe bietet eine uneingeschränkte 360-Grad-Rundumsicht. Bei klaren Wetterverhältnissen reicht der Blick weit über die Kantonsgrenzen hinaus.
Im Süden zeichnet sich die Alpenkette am Horizont ab, während der Blick nach Norden bis nach Deutschland schweifen kann. Die erhöhte Position ermöglicht eine einzigartige Perspektive auf die Landschaft des Zürcher Unterlandes und die umliegenden Dörfer und Städte.
Ein beeindruckender Besucher
Für besonderes Aufsehen sorgte bei der letzten Besichtigung der älteste Teilnehmer. Ein 96-jähriger Mann meisterte den Aufstieg über die 117 Stufen ohne Hilfe und genoss sichtlich die Aussicht. Seine Leistung wurde von den anderen Anwesenden mit grosser Bewunderung zur Kenntnis genommen.
Solche Momente unterstreichen, dass der Turm Menschen aller Generationen fasziniert und als gemeinschaftlicher Treffpunkt dient, der weit über seine religiöse Funktion hinausgeht.
Architektur und eine bewegte Geschichte
Nach der Turmbesteigung bot ein Vortrag von Martin Egli, dem ehemaligen Präsidenten der Kirchgemeinde, tiefere Einblicke in die Geschichte des Bauwerks. Er erläuterte die architektonischen Besonderheiten und die historische Bedeutung des Turms.
Ein Juwel des Jugendstils
Die Kirche und ihr Turm wurden vor 117 Jahren von den renommierten Winterthurer Architekten Rittmeyer & Furrer entworfen. Das gesamte Ensemble gilt als herausragendes Beispiel für den kirchlichen Jugendstil in der Schweiz. Als Baumaterial diente Kalkstein aus den nahegelegenen Steinbrüchen an der Lägern, was dem Gebäude seinen charakteristischen hellen Farbton verleiht.
"Der Turm ist nicht nur ein architektonisches Denkmal, sondern auch ein Zeuge der lokalen Geschichte. Seine Funktion hat sich im Laufe der Zeit gewandelt, was ihn umso interessanter macht", erklärte Martin Egli in seinem Referat.
Vom Gotteshaus zum Spähposten
Egli berichtete auch von einer weniger bekannten Episode in der Geschichte des Turms. Aufgrund seiner strategisch günstigen Lage mit hervorragender Rundumsicht wurde er zeitweise für militärische Zwecke genutzt. Als Spähposten diente er dazu, potenzielle Angreifer frühzeitig zu erkennen.
Für diese militärische Nutzung wurde das Eigentum am Turm vorübergehend von der Kirchgemeinde an die politische Gemeinde Brütten übertragen. Nach dem Ende dieser Phase ging der Turm wieder in den Besitz der Kirchgemeinde Breite über. Diese Episode zeigt die vielschichtige Rolle, die das Bauwerk in der Geschichte der Gemeinde gespielt hat.
Ein lebendiges Wahrzeichen
Der Kirchturm von Brütten ist heute weit mehr als nur ein Teil eines Gotteshauses. Er verkörpert ein Stück lokaler Identität und Geschichte. Seine architektonische Bedeutung als Jugendstilbau, seine Vergangenheit als Militärposten und seine Funktion als Aussichtspunkt machen ihn zu einem vielseitigen und wichtigen Monument.
Die regelmässigen öffentlichen Besichtigungen tragen dazu bei, dieses Erbe lebendig zu halten und es neuen Generationen zugänglich zu machen. Sie bieten die seltene Möglichkeit, Geschichte hautnah zu erleben und die eigene Heimat aus einer neuen Perspektive zu entdecken.





