Eine von der Universität Zürich initiierte Forschungsreise, unterstützt vom Zoo Zürich, hat im Makira-Naturpark auf Madagaskar bemerkenswerte Entdeckungen gemacht. Unter schwierigen Bedingungen konnte eine junge Forscherin mehrere seltene Amphibien- und Reptilienarten dokumentieren. Besonders hervorzuheben ist der Nachweis einer vom Aussterben bedrohten Schlangenart, deren Vorkommen in dieser Region bisher unbekannt war. Diese Erkenntnisse sind entscheidend für den lokalen Artenschutz.
Wichtige Erkenntnisse
- Expedition entdeckt neue Vorkommen bedrohter Schlangenart.
- Forschungsteam dokumentiert über 80 Sichtungen von Amphibien und Reptilien.
- Fünf der entdeckten Arten sind als bedroht eingestuft.
- Internationales Team forschte unter extremen Bedingungen im Regenwald.
- Daten ergänzen Wissenslücken zur madagassischen Artenvielfalt.
Herausforderungen im Makira-Naturpark
Die Expedition fand Ende Juni statt, mitten in der Trockenzeit Madagaskars. Trotzdem waren die Wege im Makira-Naturpark extrem matschig. Motorräder versanken knöcheltief im Schlamm. Das Vorankommen war oft nur durch Schieben und Ziehen möglich. Die Biologin Kathleen Webster von der Universität Zürich leitete die herpetologischen Untersuchungen.
Das Ziel war ein weitgehend unerforschtes Gebiet des Makira-Naturparks. Dieser Park bildet zusammen mit dem Masoala-Nationalpark einen global wichtigen Hotspot der Artenvielfalt. Der Zoo Zürich unterstützte die Teilnahme der jungen Forscherin an dieser Reise. Dies geschah im Rahmen seines Naturschutzprojekts Masoala. Artenschutz benötigt eine solide wissenschaftliche Basis. Internationale Zusammenarbeit ist dafür unerlässlich.
Hintergrund: Makira-Naturpark
Der Makira-Naturpark zählt zu den entlegensten Gebieten Madagaskars. Er beherbergt eines der grössten zusammenhängenden und intakten Regenwaldgebiete der Insel. Die Artenvielfalt ist hier immens und weltweit einzigartig. Der Park ist ein zentraler Bestandteil des Naturschutzprojekts Masoala des Zoo Zürich, das sich seit 1995 für den Schutz dieser wertvollen Region einsetzt.
Die anspruchsvolle Anreise
Die Reise in den Urwald dauerte insgesamt vier Tage. Das Forschungsteam startete in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo. Von dort ging es per Flugzeug nach Sambava, einem Küstenort. Anschliessend fuhren sie mit einem Geländewagen nach Andapa. Dort endeten die befahrbaren Strassen. Der Makira-Naturpark ist bekannt für seine Abgeschiedenheit.
Ein Weiterkommen war nur mit geländetauglichen Motorrädern und der Hilfe der lokalen Bevölkerung möglich. Selbst erfahrene Fahrer kämpften mit den schwierigen Bedingungen. Stundenlange Fahrten durch ländliche, dünn besiedelte Regionen waren die Norm. Zahlreiche Stopps waren notwendig. Schliesslich erreichte der Trupp das Dorf Soamiangona, das bereits im Makira-Naturpark liegt.
„Die Bedingungen waren extrem herausfordernd. Manchmal fühlte es sich an wie ein Abenteuerfilm, aber die wissenschaftlichen Ergebnisse waren die Mühe wert“, so Kathleen Webster über die Expedition.
Das Forschungscamp im Regenwald
Nach Erreichen des Dorfes stand noch ein 13 Kilometer langer Fussmarsch bevor. Lokale Guides führten und unterstützten das Team. Beladen mit schweren Rucksäcken und Proviant kämpfte sich die Expedition durch Flüsse, Bäche und dichtes Buschwerk. Sie drangen immer tiefer in den Regenwald vor, vorbei an mächtigen Baumriesen.
Am Fluss Manandriana errichtete das Forschungsteam schliesslich sein temporäres Camp. Es bestand aus einfachen Zelten, einer Feuerstelle zum Kochen und einer simplen Holzkonstruktion als Tisch. Hier wurden die gemeinsamen Mahlzeiten eingenommen und die abendlichen Beobachtungen festgehalten. Komfort war nicht vorhanden.
Die Gruppe verbrachte neun Tage und Nächte weit abseits der Zivilisation. Tagsüber herrschte unter dem Kronendach Dämmerlicht. Die Guides installierten Solarzellen auf einer Kiesbank, um Kameras und GPS-Geräte aufzuladen. Dafür mussten die Forschenden jedes Mal den Fluss durchwaten. Selbst in der Trockenzeit regnete es täglich, was die Luft feucht hielt. Kleidung und Schuhe blieben während des gesamten Aufenthalts nass.
Faktencheck: Madagaskars Artenvielfalt
- 80% aller auf Madagaskar vorkommenden Arten sind endemisch, kommen also nur dort vor.
- Der Makira-Naturpark ist Teil eines der 36 globalen Biodiversitäts-Hotspots.
- Die Insel hat über 300 Amphibienarten, fast alle endemisch.
- Über 370 Reptilienarten sind auf Madagaskar beheimatet, ebenfalls fast alle endemisch.
Wichtige Entdeckungen und Artenschutz
Die Forschung unter diesen Bedingungen war kräftezehrend. Gearbeitet wurde Tag und Nacht, da viele Tiere nacht- oder dämmerungsaktiv sind. Für Kathleen Webster und ihre Kollegen haben sich die Strapazen jedoch ausgezahlt. Ihr Fokus lag auf Amphibien und Reptilien, während andere Teammitglieder Insekten wie Heuschrecken und Stabschrecken untersuchten.
Webster dokumentierte über 80 Sichtungen von mindestens 30 verschiedenen Reptilien- und Amphibienarten. Mindestens fünf dieser entdeckten Arten sind bereits als bedroht auf der Roten Liste der gefährdeten Arten gelistet. Bei neun weiteren Arten ist die genaue Bestimmung noch unklar. Es könnte sich um für die Wissenschaft gänzlich neue Arten handeln. Die gesammelten Daten und Fotos werden derzeit von Spezialisten identifiziert.
Unbekanntes Vorkommen einer bedrohten Schlangenart
Ein besonders bedeutender Fund war der Nachweis von acht Arten, deren Vorkommen im Makira-Naturpark bisher unbekannt war. Dazu gehört Compsophis vinckei, eine vom Aussterben bedrohte Schlangenart aus der Familie der Madagaskar-Trugnattern. Bisher war nicht bekannt, dass diese Art auch in dieser Region vorkommt.
Die Forscherin entdeckte zwei Exemplare dieser seltenen und scheuen Schlange. Dies ist ein wichtiger Fund, da über diese Art bisher wenig bekannt ist. Man vermutete, dass ihr Verbreitungsgebiet nur etwa 61 Quadratkilometer umfasst und über 400 Kilometer weiter südlich liegt. Die in Makira gefundenen Exemplare waren mit 47 cm und 60 cm Länge mehr als doppelt so gross wie alle zuvor bekannten Tiere.
Die Weltnaturschutzunion IUCN listet Compsophis vinckei als vom Aussterben bedroht. Die Entdeckungen im Makira-Naturpark sind daher ein entscheidender Beitrag zur Erforschung und zum Schutz dieser Art. Jedes gefundene Exemplar wurde fotografiert und vermessen, um detaillierte Informationen zu sammeln.
Wissenslücken schliessen für effektiven Schutz
Alle gesammelten Daten werden dem WCS Madagaskar und der Universität von Antananarivo zur Verfügung gestellt. Sie helfen, bestehende Wissenslücken zur madagassischen Artenvielfalt zu schliessen. Besonders Daten zur Trockenzeit sind rar, während die Regenzeit besser dokumentiert ist. Für einen gezielten und wirksamen Artenschutz ist es jedoch wichtig, das Verhalten und Vorkommen von Arten über das gesamte Jahr hinweg zu kennen.
Fragen wie „Welche Art hält sich wann wo auf?“, „Wo, wie und wann pflanzt sie sich fort?“ und „Welche Bedürfnisse gilt es zu berücksichtigen?“ sind entscheidend. Diese Fakten tragen dazu bei, Schutzmassnahmen gezielt anzuwenden und Arten zu erhalten. Ein Beispiel ist Mantidactylus radaka, eine der grössten Froscharten Madagaskars. Im Norden der Insel wird er als Delikatesse gejagt, was seinen Bestand gefährdet.
Obwohl der Makira-Naturpark ein Schutzgebiet ist und die Natur weitgehend unberührt scheint, ist er nicht völlig frei von menschlichen Einflüssen. Die Forschenden stiessen auf ihren Exkursionen auch auf Flächen, auf denen illegaler Holzschlag stattgefunden hatte. Mehr Wissen und gezieltere Schutzmassnahmen erhöhen die Chancen, dass seltene und bedrohte Arten wie Compsophis vinckei auch in Zukunft einen sicheren Rückzugsort im Makira-Naturpark finden.
Weitere Informationen
- Erfahren Sie mehr über das Naturschutzprojekt Masoala des Zoo Zürich.
- Entdecken Sie die Forschungsarbeit der Universität Zürich in Madagaskar.





