Das Schweizerische Bundesgericht hat die Baubewilligung für eine grosse Überbauung in Kollbrunn aufgehoben. In seinem Urteil stellt das höchste Gericht den Schutz des Flusses Töss über die Interessen der Bauherren. Der Kanton Zürich muss nun zuerst den gesetzlich vorgeschriebenen Schutzraum für das Gewässer festlegen, bevor über das Projekt neu entschieden werden kann.
Die Entscheidung ist ein Erfolg für den WWF Schweiz, der gegen das Bauvorhaben geklagt hatte. Das Projekt sah die Errichtung von vier Mehrfamilienhäusern und Gewerbebauten auf einer rund 15'000 Quadratmeter grossen Parzelle direkt am Flussufer vor.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Bundesgericht hat eine Baubewilligung für ein Projekt in Kollbrunn (Gemeinde Zell ZH) aufgehoben.
- Der Schutz der Töss und die Festlegung des Gewässerraums haben Priorität.
- Das Gericht gab einer Beschwerde des WWF Schweiz statt.
- Der Kanton Zürich ist in der Pflicht, den fehlenden Gewässerraum für diesen Flussabschnitt zu definieren.
Ein juristischer Sieg für den Umweltschutz
In einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil hat das Bundesgericht in Lausanne einer Beschwerde des WWF Schweiz vollumfänglich stattgegeben. Die Umweltschutzorganisation hatte argumentiert, dass der geplante Abstand der Gebäude zur Töss zu gering sei und den gesetzlichen Vorgaben widerspreche.
Das Gericht folgte dieser Argumentation und hob die im Jahr 2021 von der Gemeinde Zell erteilte Baubewilligung auf. Die Richter betonten das grosse öffentliche Interesse am Schutz der Fliessgewässer in der Schweiz. Dieses Interesse wiege in diesem konkreten Fall schwerer als die Interessen der privaten Bauherrschaft.
Angesichts des grossen öffentlichen Interesses am Schutz der Fliessgewässer sei es verhältnismässig, wenn die erteilte Baubewilligung aufgehoben werde, so die Begründung des Gerichts.
Der Streit um den Gewässerraum
Im Zentrum des Rechtsstreits steht der sogenannte Gewässerraum. Dabei handelt es sich um einen gesetzlich definierten Uferstreifen, der für den Hochwasserschutz, die natürliche Funktion des Flusses und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen freigehalten werden muss. Die Kantone waren verpflichtet, diesen Raum für alle Gewässer bis Ende 2018 verbindlich festzulegen.
Diese Frist liess der Kanton Zürich für den betreffenden Abschnitt der Töss jedoch verstreichen. In solchen Fällen greifen Übergangsbestimmungen, die einen minimalen Uferstreifen von 20 Metern auf beiden Seiten des Flusses vorsehen.
Was ist der Gewässerraum?
Der Gewässerraum ist mehr als nur das Flussbett. Er umfasst auch die angrenzenden Uferbereiche, die für die ökologische Funktion und den Hochwasserschutz essenziell sind. Seit einer Revision des Gewässerschutzgesetzes sind die Kantone verpflichtet, diesen Raum zu sichern und eine Bebauung darin grundsätzlich zu verbieten. Ziel ist es, den Flüssen mehr Platz zu geben und ihre Revitalisierung zu fördern.
Warum die Übergangsregelung nicht ausreicht
Das Bundesgericht stellte fest, dass dieser pauschale Schutz von 20 Metern im Fall der Töss bei Kollbrunn unzureichend ist. Ein vorliegendes Gutachten deutet darauf hin, dass der tatsächlich benötigte Gewässerraum für den Fluss an dieser Stelle deutlich grösser sein müsste.
Die Richter argumentierten, dass der verminderte Schutz der Übergangsbestimmung nur für eine befristete Zeit bis zur definitiven Festlegung durch den Kanton hingenommen werden könne. Da aber bereits klar sei, dass ein viel grösserer Schutzbereich notwendig ist, müsse das Bauprojekt zurückstehen, bis der Kanton seine Aufgabe erledigt hat.
Ein Projekt mit langer Geschichte
Die Pläne für die Bebauung des Areals in der Industriezone von Kollbrunn sind nicht neu. Bereits 1994 wurde für die rund 15'000 Quadratmeter grosse Parzelle ein privater Gestaltungsplan erlassen. Die Baubewilligung für die vier Mehrfamilienhäuser und die Gewerbebauten folgte schliesslich 2021.
Das Bundesgericht wies jedoch darauf hin, dass sich die Rechtslage seit 1994 wesentlich geändert hat. Der Schutz und die Revitalisierung von Fliessgewässern haben heute einen viel höheren Stellenwert in der Gesetzgebung. Alte Gestaltungspläne können daher nicht einfach ohne eine Überprüfung anhand der aktuellen Gesetze umgesetzt werden.
Fakten zum Fall
- Ort: Kollbrunn, Gemeinde Zell ZH
- Projekt: 4 Mehrfamilienhäuser und Gewerbebauten
- Grundstücksgrösse: ca. 15'000 Quadratmeter
- Kläger: WWF Schweiz
- Urteil: Aufhebung der Baubewilligung durch das Bundesgericht (Urteil 1C_271/2024 vom 8.10.2025)
Was bedeutet das Urteil für die Zukunft?
Das Urteil aus Lausanne hat Signalwirkung. Es stärkt den Gewässerschutz und macht deutlich, dass die Kantone ihrer Pflicht zur Festlegung der Gewässerräume nachkommen müssen. Bauprojekte in der Nähe von Flüssen und Bächen dürften es künftig schwerer haben, wenn diese grundlegende Planung fehlt.
Für das Projekt in Kollbrunn bedeutet der Entscheid einen vorläufigen Stopp. Die Bauherrschaft muss nun abwarten, bis der Kanton Zürich den Gewässerraum für die Töss in diesem Bereich definiert hat. Anschliessend müsste ein neues Baugesuch eingereicht werden, das die dann geltenden, voraussichtlich strengeren Abstandsvorschriften einhält. Ob das Projekt in seiner ursprünglich geplanten Form noch realisierbar ist, erscheint fraglich.





