Die Sozialdemokratische Partei (SP) Winterthur hat die sogenannte «Progressive Allianz» aufgekündigt. Dieses Wahlbündnis, das bisher SP, Grüne, Grünliberale Partei (GLP) und Evangelische Volkspartei (EVP) umfasste, wird bei den kommenden Wahlen im März 2026 nicht mehr in seiner bisherigen Form antreten. Die Co-Präsidentin der SP Winterthur, Franziska Tschirky, bestätigte die definitive Trennung, nachdem bereits seit zwei Monaten Spekulationen über das Auseinanderbrechen der Allianz kursierten.
Die Entscheidung der SP basiert auf zunehmenden politischen Differenzen innerhalb des Bündnisses. Insbesondere die Zusammenarbeit mit GLP und EVP in wichtigen Sachfragen erwies sich als schwierig. Diese Entwicklung markiert eine signifikante Veränderung in der politischen Landschaft Winterthurs und könnte die Kräfteverhältnisse im Stadtrat neu ordnen.
Wichtigste Punkte
- Die SP Winterthur beendet die «Progressive Allianz» mit Grünen, GLP und EVP.
- Politische Differenzen, insbesondere in der Budgetdebatte, führten zur Trennung.
- Die GLP bedauert die Auflösung und sieht eine komfortable Mehrheit im Stadtrat gefährdet.
- Für die Wahlen 2026 treten die Parteien getrennt an, eine Zusammenarbeit im zweiten Wahlgang bleibt offen.
Auflösung der «Progressiven Allianz»
Die «Progressive Allianz» hatte bei den Erneuerungswahlen 2022 in Winterthur einen Erfolg verbucht. Sie verteidigte damals fünf von sieben Sitzen im Stadtrat. Dieser Erfolg war ein Ergebnis der gemeinsamen Strategie der vier Parteien. Nun, weniger als zwei Jahre vor den nächsten Wahlen, wird dieser Zusammenschluss nicht fortgesetzt.
Wie das «Regionaljournal» von SRF am Montag berichtete, hat die SP die Allianz offiziell aufgekündigt. Franziska Tschirky, Co-Präsidentin der SP Winterthur, bestätigte dies auf Anfrage. Sie erklärte:
«Es ist definitiv. Die ‹Progressive Allianz› wird es so nicht mehr geben.»Diese Aussage bekräftigt die bereits seit Längerem bestehenden Mutmassungen über das Ende des Bündnisses.
Faktencheck
- 2022: Die «Progressive Allianz» gewann 5 von 7 Stadtratssitzen.
- März 2026: Nächste Erneuerungswahlen in Winterthur.
- 7 Millionen Franken: Pauschaler Sparauftrag, den GLP und EVP mit bürgerlichen Parteien durchsetzten.
Politische Differenzen als Hauptgrund
Die SP begründet die Auflösung der Allianz mit zunehmenden politischen Meinungsverschiedenheiten. Franziska Tschirky betonte, dass sich die Parteien in den letzten Jahren stärker auseinanderentwickelt hätten, als sie zusammengefunden haben. Dies betrifft insbesondere das Verhältnis zwischen der SP auf der einen Seite und der GLP sowie der EVP auf der anderen Seite.
Als konkretes Beispiel nannte Tschirky die jüngste Budgetdebatte. In dieser Debatte unterstützten die GLP und die EVP die bürgerlichen Parteien. Sie halfen dabei, einen pauschalen Sparauftrag von 7 Millionen Franken durchzusetzen. Für die SP war dies ein klarer Bruch mit den gemeinsamen progressiven Zielen.
Haltung statt strategischer Überlegungen
Die SP sieht in der Auflösung der Allianz eine Frage der politischen Haltung. Tschirky erklärte, dass eine Fortsetzung des Bündnisses unter den gegebenen Umständen lediglich auf strategischen Überlegungen beruhen würde, nicht aber auf einer echten politischen Übereinstimmung.
«Ein Verzicht auf die Allianz ist vor diesem Hintergrund eine ehrliche Haltung. Alles andere wären bloss strategische Überlegungen», so Tschirky.
Ein formeller Entscheid der SP steht zwar noch aus, der Vorstand wird jedoch die Mitgliederversammlung über seine Pläne informieren. Tschirky geht davon aus, dass ein anderslautender Antrag kaum eine Mehrheit finden würde. Diese Einschätzung basiert auf internen Gesprächen innerhalb der Partei.
Hintergrund der Allianz
Die «Progressive Allianz» wurde gebildet, um eine starke Mitte-links-Vertretung im Winterthurer Stadtrat zu gewährleisten. Sie sollte die Kräfte bündeln und eine gemeinsame Stossrichtung in wichtigen kommunalen Fragen ermöglichen. Die erzielten Erfolge in der Vergangenheit zeigten, dass diese Strategie wirksam war. Doch interne Spannungen haben diese Zusammenarbeit nun an ihre Grenzen gebracht.
Die Sicht der Grünliberalen Partei
Die Grünliberalen Partei (GLP) zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung der SP. Die GLP war an einem Fortbestehen der Allianz interessiert. Sie benötigt Unterstützung, um den Sitz der abtretenden Stadträtin Katrin Cometta zu verteidigen. Für diesen Sitz tritt Kantonsrat und ehemaliges Parlamentsmitglied Urs Glättli an.
Annetta Steiner, Stadtparlamentarierin und Mitglied der GLP-Parteileitung, stellte klar, dass die Kündigung nicht an Glättli liege. Sie sieht die Ursachen vielmehr in der kritischen Haltung der SP gegenüber der Politik der Grünliberalen. Spannungen zwischen SP und GLP sind nicht neu. Steiner bemerkte:
«Vor den letzten Wahlen hat die SP aber das halb volle und nicht das halb leere Glas gesehen.»
Bedeutung einer Mehrheit im Stadtrat
Steiner betonte die Vorteile, die eine Allianz für alle vier Parteien gehabt hätte. Eine komfortable Mehrheit im Stadtrat sei wichtig. Sie diene dem schnellen Vorankommen in der Klimapolitik und bei gesellschaftsrelevanten Fragen. Die Auflösung der Allianz könnte diese Ziele erschweren.
Trotz der Auflösung der Allianz bedeutet dies nicht, dass die beteiligten Parteien künftig aktiv gegeneinander arbeiten werden. In Themen, bei denen Übereinstimmung besteht, soll weiterhin zusammengearbeitet werden. Franziska Tschirky lässt zudem die Tür für eine mögliche Zusammenarbeit im Falle eines zweiten Wahlgangs offen:
«Sollte es zu einem zweiten Wahlgang kommen, werden die Karten neu gemischt.»Dies deutet darauf hin, dass taktische Kooperationen weiterhin denkbar sind, auch wenn das formelle Bündnis nicht mehr besteht.
Ausblick auf die Wahlen 2026
Die politischen Parteien in Winterthur stehen nun vor neuen Herausforderungen. Ohne die «Progressive Allianz» müssen SP, Grüne, GLP und EVP ihre Strategien für die Stadtratswahlen 2026 neu ausrichten. Dies könnte zu einer fragmentierteren politischen Landschaft führen. Es könnte auch neue Allianzen oder verstärkte Einzelkämpfe zur Folge haben. Die bürgerlichen Parteien, die bereits vereint um Sitze in der Exekutive kämpfen, könnten von dieser Entwicklung profitieren.
Die kommenden Monate werden zeigen, wie sich die Parteien positionieren und welche neuen Konstellationen sich ergeben. Die Wählerinnen und Wähler in Winterthur werden eine veränderte Ausgangslage vorfinden, die eine sorgfältige Abwägung ihrer Entscheidungen erfordert.





