In Winterthur-Töss hat vor einem Jahr ein neues albanisches Kulturzentrum mit Moschee eröffnet. Der moderne Bau im Quartier Nägelsee bietet der wachsenden muslimischen Gemeinde nicht nur mehr Platz, sondern schafft insbesondere für Frauen neue Freiräume und stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Das Zentrum pflegt einen offenen Dialog mit der Stadt und der Polizei.
Das Wichtigste in Kürze
- In Winterthur-Töss wurde eine neue albanische Moschee als modernes Gemeinschaftszentrum eröffnet.
- Der Neubau verbessert die Situation für Frauen erheblich, mit eigenen Waschräumen und einer separaten Cafeteria.
- Die Gemeinde verzeichnet seit der Eröffnung grosses Interesse und begrenzt die Mitgliederzahl auf 550, um den familiären Charakter zu wahren.
- Der Verein pflegt einen proaktiven und transparenten Austausch mit der Stadtpolizei Winterthur.
Ein modernes Zentrum für die Gemeinschaft
Im Quartier Nägelsee in Winterthur-Töss, umgeben von Gewerbebauten und Gemeinschaftsgärten, steht ein Gebäude, das auf den ersten Blick unauffällig wirkt. Ein Tor aus vier Meter hohem Sichtbeton mit einer goldenen Inschrift – „Oh Allah, öffne mir die Türen Deiner Barmherzigkeit!“ – markiert den Eingang zur neuesten Moschee der Stadt. Seit ihrer Eröffnung vor rund einem Jahr dient sie dem Islamischen Kulturverein als neues Zuhause.
Der frühere Standort an der Zürcherstrasse war für die damals 400 Mitglieder zählende Gemeinschaft zu klein geworden. Insbesondere die Infrastruktur für Frauen war unzureichend. „Wir Frauen hatten keine eigenen Räume, nicht einmal einen abgetrennten Waschraum“, erklärt Senije Saiti, die sich im Frauenverein engagiert. Die rituelle Waschung vor dem Gebet sei für viele Frauen in Anwesenheit von Männern unangenehm gewesen.
Mehr als nur ein Gebetsraum
Der Wunsch nach einem eigenen, bedarfsgerechten Gebäude bestand schon lange. Im Jahr 2018 erhielt der Verein die Baubewilligung. Das Resultat ist ein multifunktionales Zentrum, das weit mehr als nur einen Gebetsraum umfasst. Es verfügt über zwei Cafeterias, Sitzungszimmer, Unterrichtsräume und einen eigenen Bereich für Jugendliche. Das Herzstück ist der 256 Quadratmeter grosse Gebetsraum, der von einer acht Meter hohen Kuppel gekrönt wird. Eine weisse Treppe mit goldenem Geländer führt vom Foyer hinauf.
Zahlen und Fakten zur Moschee
- Eröffnung: Vor rund einem Jahr
- Standort: Quartier Nägelsee, Winterthur-Töss
- Mitglieder: Wachstum auf 550 Mitglieder begrenzt
- Gebetsraum: 256 Quadratmeter Fläche
- Besonderheit: 26 kleine Fenster symbolisieren die Schweizer Kantone
Ein Gewinn für die Frauen der Gemeinde
Für Senije Saiti und die rund 40 weiteren aktiven Frauen im Verein ist der Neubau ein grosser Fortschritt. „Wir fühlen uns sehr frei hier“, sagt die 34-Jährige. Ein zentraler Aspekt ist die neu gewonnene Autonomie. Die Frauen verfügen nun über eine eigene Cafeteria mit separatem Eingang, einer kleinen Küche und einer Spielecke für Kinder. Hier können sie sich ungestört treffen und organisieren.
„Wir können uns komplett selbstständig organisieren, brauchen kaum Absprachen. Das ist ein grosser Gewinn.“ - Senije Saiti
Auch im Gebetsraum wurde an die Bedürfnisse der Frauen gedacht. Eine Galerie, die fast die Hälfte des Raumes überspannt, ist für sie vorgesehen. Ein Geländer aus Milchglas sorgt für Privatsphäre, während die Akustik sicherstellt, dass sie dem Gebet des Imams folgen können. Obwohl Frauen sich in der gesamten Moschee frei bewegen dürfen, schätzen viele die Möglichkeit, Zeit unter sich zu verbringen.
Ein Ort der Zugehörigkeit
Senije Saiti, die im Alltag kein Kopftuch trägt, war anfangs unsicher, ob sie in die Gemeinschaft passen würde. Ihre Bedenken lösten sich jedoch schnell auf. „Alle sind sofort auf mich zugekommen. Ich habe Geborgenheit und Sicherheit wie in einer Familie gespürt“, erzählt sie. Die Treffen im Frauenverein, ob geplant oder spontan, sind für sie zu einem wichtigen Teil ihres Lebens geworden.
Diese Gemeinschaft gibt ihr auch in schwierigen Lebensphasen Halt. Als ihr heute achtjähriger Sohn mit einem Herzfehler zur Welt kam und viel Zeit im Spital verbringen musste, war der Glaube ihre Stütze. Auch in ihrer Arbeit als Nachtwache in einem Altersheim hilft ihr die Spiritualität, mit dem Thema Tod umzugehen.
Der Islam in der Schweiz
Nach dem Christentum ist der Islam die zweitgrösste Religionsgemeinschaft in der Schweiz. Laut Bundesamt für Statistik bekannten sich im Jahr 2022 rund 5,7 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren zum Islam. Die muslimische Bevölkerung in der Schweiz ist sehr heterogen und stammt aus verschiedenen Ländern, wobei die grössten Gruppen aus dem Balkan und der Türkei kommen.
Integration und Dialog in Winterthur
Die neue Moschee zieht Besucher aus der ganzen Schweiz an. Laut Senije Saiti kommen teilweise ganze Reisecars aus Bern, Luzern oder dem Wallis, um den Vorzeigebau zu besichtigen. Die Bauleitung für das Projekt hatte ihr Mann, Bardil Saiti, inne. Seit Anfang des Jahres ist er auch der Präsident des Islamischen Kulturvereins.
Verbindung zur Schweizer Heimat
Viele Mitglieder des Vereins sehen die Schweiz als ihre Heimat an, auch wenn sie albanische Wurzeln haben. Diese Verbundenheit wurde im Bau symbolisch verankert: 26 kleine Fenster auf der Höhe der Frauengalerie stehen für die 26 Schweizer Kantone. Weitere 18 Fenster im Erdgeschoss repräsentieren das Jahr der Baubewilligung, 2018.
Offener Austausch mit den Behörden
Winterthur geriet in der Vergangenheit durch die islamistische An'Nur-Moschee in negative Schlagzeilen. Als Reaktion darauf schuf die Stadt 2016 eine Fachstelle für Extremismus- und Gewaltprävention und setzte bei der Stadtpolizei einen „Brückenbauer“ für interkulturelle Angelegenheiten ein. Dieser pflegt einen regelmässigen Austausch mit den Moscheegemeinden, auch mit dem neuen Zentrum in Töss.
Bardil Saiti begrüsst diesen Dialog. „Wir sind froh über den Besuch und wollen Nähe, kein Gegeneinander“, betont der Präsident. Der Umgang sei unkompliziert und von gegenseitigem Respekt geprägt. Der Verein möchte Transparenz schaffen und aktiv zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen. Aus diesem Grund werden auch Beitrittsanfragen von Mitgliedern anderer albanischer Moscheen in Winterthur abgelehnt, um keine Konkurrenzsituation zu schaffen. Das Ziel ist kein unkontrolliertes Wachstum, sondern die Pflege einer starken und integrierten Gemeinschaft mit maximal 550 Mitgliedern.





