Die Gemeinde Schwerzenbach im Kanton Zürich weist laut einer aktuellen Studie das höchste Potenzial für Innenverdichtung in der Schweiz auf. Trotz dieser Einschätzung steht die kleine Gemeinde mit ihren 5250 Einwohnern vor der Herausforderung, Wachstum zu ermöglichen, ohne ihren dörflichen Charakter und den sozialen Zusammenhalt zu verlieren. Die Diskussion um die zukünftige Entwicklung prägt derzeit die lokale Politik und das Gemeindeleben.
Wichtige Erkenntnisse
- Schwerzenbach hat das höchste Innenverdichtungspotenzial der Schweiz.
- Gute ÖV-Anbindung ist ein Hauptgrund für das Verdichtungspotenzial.
- Die Bevölkerung befürchtet Hochhäuser und Anonymität.
- Die Gemeinde strebt ein moderates Wachstum an, das zum Dorf passt.
- Eine neue Bau- und Zonenordnung soll die Entwicklung steuern.
Schwerzenbachs Spitzenposition in der Verdichtungsstudie
Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts Sotomo und des Thinktanks Urbanistica hat Schwerzenbach als die Gemeinde mit dem grössten Potenzial zur Innenverdichtung in der Schweiz identifiziert. Dies bedeutet, dass die Gemeinde innerhalb ihrer bestehenden Siedlungsflächen am meisten Raum für neues Wachstum bietet, ohne in die umliegende Landschaft expandieren zu müssen. Schwerzenbach liegt im Dreieck der Städte Dübendorf, Zürich und Uster, nahe dem Greifensee.
Trotz der zentralen Lage und der hervorragenden Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist Schwerzenbach mit rund 5250 Einwohnern eine vergleichsweise kleine Gemeinde. Viele Menschen kennen den Ort primär von der Durchfahrt. Der Gemeindepräsident Martin Hermann (FDP) beschreibt die Situation treffend: «Wir fliegen hier immer etwas unter dem Radar.»
Studien-Fakten
- Rang 1: Schwerzenbach führt das Ranking an.
- Methodik: Vergleich von Bevölkerungsdichte und ÖV-Anbindung.
- Weitere Gemeinden: Opfikon, Dietlikon, Kloten ebenfalls in den Top Ten.
Ausgezeichnete Verkehrsanbindung als Wachstumstreiber
Ein wesentlicher Faktor für Schwerzenbachs Spitzenposition in der Studie ist die exzellente Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz. Die Gemeinde verfügt über einen eigenen Bahnhof, der eine direkte Verbindung nach Zürich sicherstellt. Seit 2017 ergänzt ein moderner Bushof die Infrastruktur. Diese Kombination macht Schwerzenbach zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt im Bezirk Uster und im Glattal.
Gemeindepräsident Hermann betont die Effizienz: «Ich habe eigentlich noch nie einen Fahrplan gebraucht.» Die Studienautoren haben Gemeinden mit geringer Bevölkerungsdichte, aber gleichzeitig sehr guter ÖV-Infrastruktur als jene mit dem grössten Verdichtungspotenzial eingestuft. Schwerzenbach erfüllt diese Kriterien optimal.
«Wir fliegen hier immer etwas unter dem Radar.»
Martin Hermann, Gemeindepräsident (FDP)
Der Spar als Dorfmittelpunkt
Trotz der Urbanisierungsbestrebungen und der Verkehrsbedeutung bewahrt Schwerzenbach einen starken dörflichen Charakter. Ein zentraler Treffpunkt ist der lokale Spar-Supermarkt, den Hermann liebevoll als «unser Dorfladen» bezeichnet. Obwohl er an einer vielbefahrenen Durchfahrtsstrasse liegt, dient er als wichtiger Quartiersschwerpunkt. 80 Prozent seines täglichen Bedarfs deckt der Gemeindepräsident dort ab, und er ist nicht der Einzige.
«Dieser Spar, das ist typisch Schwerzenbach», so Hermann. Er beschreibt die Atmosphäre als «unaufgeregt». Es gibt zwar weitere Einkaufsmöglichkeiten wie den Chimlimärt hinter dem Bahnhof, doch viele Einwohner bevorzugen den Spar, da man sich dort trifft und kennt. Dieses persönliche Element ist ein Kernmerkmal des dörflichen Zusammenhalts.
Wachstum und die Angst vor Anonymität
Mit dem Potenzial zum Wachstum steigen in der Gemeinde auch die Sorgen. Viele Einwohner befürchten, dass der dörfliche Charakter und der soziale Zusammenhalt durch eine zu starke Verdichtung verloren gehen könnten. Die Vorstellung von hohen Wohntürmen und zunehmender Anonymität bereitet der Bevölkerung Unbehagen. Diese Ängste wurden bereits 2022 deutlich, als ein erster Entwurf der Bau- und Zonenordnung (BZO) von den Stimmberechtigten abgelehnt wurde.
Ein symbolisches Beispiel für diese Bedenken ist das Areal «Langä Blätz». Dieses Grundstück liegt mitten im Wohngebiet und ist als Bauland ausgewiesen. Derzeit werden dort jedoch Salate angebaut, statt dass Gebäude entstehen. Es ist eines von drei Entwicklungsgebieten im neuen Entwurf der BZO, über den die Gemeinde am 30. November abstimmen wird.
Hintergrund zur BZO
Die Bau- und Zonenordnung (BZO) regelt die bauliche Entwicklung einer Gemeinde. Sie legt fest, wo und wie gebaut werden darf. Eine Revision ist oft notwendig, um aktuellen Bedürfnissen und kantonalen Vorgaben gerecht zu werden. Der kantonale Richtplan sieht eine Verdichtung nach innen vor, um die Zersiedelung der Landschaft zu verhindern.
Mit der Revision der BZO schafft die Gemeinde die Voraussetzungen, das Areal «Langä Blätz» von einer eingeschossigen in eine dreigeschossige Wohnzone mit grosszügigen Grünflächen umzuwandeln. Dadurch könnte Wohnraum für rund 300 Personen entstehen. Höhere Bauten könnten zwar noch mehr Menschen Platz bieten, doch Hochhäuser lehnt Schwerzenbach ab. Dies ist ein Kompromiss, um den Befürchtungen der Bevölkerung entgegenzukommen.
Lektionen aus der Nachbarschaft: Dübendorf als Mahnung
Die Skepsis gegenüber schnellem Wachstum ist in Schwerzenbach verständlich. Die Einwohner haben in den letzten Jahren in der Nachbargemeinde Dübendorf miterlebt, welche Auswirkungen eine rasche Verdichtung haben kann. In Dübendorf sind ganze neue Stadtteile entstanden, darunter auch drei über hundert Meter hohe Wohntürme. Die Mieten stiegen, und die Einwohnerzahl wuchs stark an. Heute leben in Dübendorf 32'000 Menschen, fast 6000 mehr als noch vor zehn Jahren – eine Zahl, die die heutige Einwohnerzahl von Schwerzenbach übersteigt.
Es ist unwahrscheinlich, dass Schwerzenbach eine ähnliche Entwicklung wie Dübendorf nehmen wird. Dennoch zeigt dieses Beispiel die potenziellen Herausforderungen. Der Kanton Zürich wird in den kommenden Jahren voraussichtlich stärker wachsen als alle anderen Regionen der Schweiz. Prognosen gehen davon aus, dass bis 2050 rund zwei Millionen Menschen im Kanton Zürich leben werden, was einem Zuwachs von 450'000 Einwohnern gegenüber 2020 entspricht. Neuer Wohnraum ist daher dringend erforderlich, auch in Gemeinden wie Schwerzenbach.
Moderates Wachstum als Ziel
Martin Hermann versteht die Ängste der Bevölkerung. Es sei nicht leicht, die Vorteile der Verdichtung zu vermitteln. Die Gemeinde sucht nach einem Weg, der ein Wachstum ermöglicht, das zum dorfähnlichen Charakter Schwerzenbachs passt. Die neue BZO sieht vor, dass in der Gemeinde nicht höher gebaut werden soll als das aktuell höchste Gebäude, das sieben Stockwerke zählt und sich unweit des Bahnhofs befindet.
«Wir wollen ein Wachstum, das zum Dorf Schwerzenbach passt», betont Hermann. Der FDP-Politiker hat aus den Erfahrungen gelernt: Nur wenn die Bevölkerung das Wachstum mitgestalten kann, wird sie es auch mittragen. Das bisherige Wachstumstempo war moderat; in den letzten zehn Jahren ist die Gemeinde um 200 Bewohner gewachsen. Dies deutet auf eine behutsame Entwicklung hin, die den Bedürfnissen der Einwohner Rechnung trägt und gleichzeitig den kantonalen Vorgaben zur Innenverdichtung gerecht wird.





