Empa-Forschende haben in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule und der ETH Zürich ein vierjähriges Forschungsprojekt zum Holzrahmenbau abgeschlossen. Ziel war es, die statischen Berechnungen für Wände mit Fensteröffnungen zu verbessern. Erste Ergebnisse zeigen, dass dadurch künftig Material und Zeit gespart werden können, was den Holzbau wirtschaftlicher und nachhaltiger macht.
Wichtige Erkenntnisse
- Neues Modell verbessert statische Berechnungen für Holzwände mit Fenstern.
- Weniger Stahlverankerungen und Betonkerne im Holzbau möglich.
- Das Projekt steigert die Effizienz und Nachhaltigkeit im Holzrahmenbau.
Herausforderung: Horizontallasten und Fensteröffnungen
Gebäude müssen nicht nur vertikalen Lasten wie dem Eigengewicht oder Schnee standhalten. Auch horizontale Kräfte, etwa durch Wind oder Erdbeben, wirken auf sie ein. Bauingenieure müssen diese Belastungen bei der Planung berücksichtigen, um ausreichend stabile Bauten zu gewährleisten. Im Holzrahmenbau gab es hier bisher eine Lücke im Wissen, besonders bei Wänden mit Fensteröffnungen.
Nadja Manser, eine Forscherin der Empa, erklärt die bisherige Problematik:
„Weder in der Schweiz noch in anderen europäischen Ländern gibt es heute eine Regelung dazu, wieviel Horizontallast eine Holzrahmenwand trägt, wenn sie eine Fensteröffnung enthält.“Das bedeutete, dass Ingenieure Wandsegmente mit Fenstern so behandeln mussten, als ob an dieser Stelle keine tragende Struktur vorhanden wäre. Dies führte zu ineffizienten und oft überdimensionierten Konstruktionen.
Faktencheck
- Projektlaufzeit: Vier Jahre
- Beteiligte Institutionen: Empa, Berner Fachhochschule, ETH Zürich
- Unterstützung: Bundesamt für Umwelt (BAFU) im Rahmen des «Aktionsplans Holz» sowie Industriepartner
Das Forschungsprojekt und seine Phasen
Im Jahr 2021 starteten Manser und ihr Team das Projekt, um diese Wissenslücke zu schließen. Das Ziel war, Wände mit Fensteröffnungen zukünftig in die Berechnung der Gebäudeaussteifung einzubeziehen. Die Forschung erfolgte in mehreren Phasen, die schrittweise komplexer wurden.
Zunächst begannen die Versuche im kleineren Maßstab an der Berner Fachhochschule in Biel. Hier wurden einzelne Beplankungsplatten, die im Holzrahmenbau verwendet werden, getestet. Danach folgten kleine Wandelemente. In einer weiteren Phase untersuchten die Forscher eingeschossige Wände mit unterschiedlichen Fensteröffnungen.
Spektakuläre Großversuche an der Empa
Die abschließenden und entscheidenden Tests fanden in der Bauhalle der Empa statt. Hier wurden zunächst zweigeschossige Holzwände unter Belastung gesetzt. Später folgten lange eingeschossige Wände, die jeweils zwei Fensteröffnungen nebeneinander aufwiesen. Diese Versuche waren aufwendig und wurden von zahlreichen Kameras und Sensoren überwacht.
Bei einem dieser Großversuche erreichte die horizontale Last über 100 Kilonewton. Dabei spaltete sich einer der Balken in der zweigeschossigen Hauswand. Nadja Manser zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden, da der Versuch wertvolle Daten lieferte. Die getesteten Wände werden nun abgebaut und durch neue ersetzt, um weitere Daten zu sammeln.
Hintergrund: Aktionsplan Holz
Der «Aktionsplan Holz» des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) fördert die nachhaltige Nutzung von Holz als Baustoff. Projekte wie dieses tragen dazu bei, die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Holzbaus zu steigern und somit den Einsatz von Holz im Bauwesen zu erweitern. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Bausektor.
Vorteile des neuen Computermodells
Die gesammelten Daten aus den Versuchen fließen in ein neues Computermodell ein. Dieses Modell soll die horizontale Aussteifung von Wänden mit Fensteröffnungen präzise berechnen können. Obwohl die Arbeiten am Modell noch nicht vollständig abgeschlossen sind, sind die ersten Ergebnisse bereits vielversprechend.
Die Erkenntnisse deuten darauf hin, dass der Beitrag von Wänden mit Fensteröffnungen zur Gebäudeaussteifung signifikant ist. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Baupraxis. Es könnten in Zukunft weniger teure und arbeitsintensive Stahlverankerungen benötigt werden. Nadja Manser betont einen weiteren Vorteil:
„Bei gewissen Gebäuden kann womöglich auf einen Betonkern verzichtet werden, der heute bei vielen Holzbauten notwendig ist, um die gewünschten Steifigkeitswerte zu erreichen.“
Effizienz und Nachhaltigkeit im Fokus
Der Verzicht auf Betonkerne und der reduzierte Einsatz von Stahl bedeuten nicht nur eine Kostenersparnis, sondern auch eine erhebliche Zeitersparnis im Bauprozess. Gleichzeitig wird der Holzbau noch nachhaltiger, da weniger energieintensive Materialien wie Stahl und Beton benötigt werden. Dies trägt zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks von Gebäuden bei.
Von der Forschung zur Praxis
Bevor das neue Berechnungsmodell in der Bauindustrie eingesetzt werden kann, muss es noch vereinfacht werden. Manser erklärt:
„Momentan haben wir ein komplexes Forschungsmodell mit vielen Parametern. Das Ziel ist, daraus ein vereinfachtes Praxismodell abzuleiten, das weniger rechenintensiv ist, aber trotzdem ausreichend genaue Werte liefert.“
Die Forscher arbeiten eng mit ihren Industriepartnern zusammen, um diesen Übergang zu erleichtern. Diese Kooperation war während des gesamten Projekts entscheidend.
„Es war nicht immer einfach, die unterschiedlichen Ansprüche seitens der Industrie und der Forschung unter einen Hut zu bringen. Aber dafür können die Resultate unserer Arbeit rasch zur Anwendung kommen“,so die Forscherin und Bauingenieurin. Diese enge Zusammenarbeit stellt sicher, dass die Forschungsergebnisse schnell in die Baupraxis integriert werden können.
Beteiligte Partner des Projekts
- Berner Fachhochschule – Architektur, Holz und Bau
- Empa, Abteilung Ingenieur-Strukturen
- ETH Zürich, Institut für Baustatik und Konstruktion
- Bundesamt für Umwelt (BAFU) – Aktionsplan Holz
- Swiss Timber Engineers
- Holzbau Schweiz
- Ancotech AG





