Der Winterthurer Fotograf Andreas Mader dokumentiert in seinem Foto-Essay «Interim» die oft übersehenen Alltagsbauten der Stadt. Seine Arbeiten zeigen, dass auch diese unscheinbaren Strukturen eine eigene Ausdruckskraft besitzen, die sich oft erst auf den zweiten Blick offenbart. Mader konzentriert sich auf Orte, die üblicherweise nicht im Fokus von Architekturführern stehen, und verwandelt sie in faszinierende Motive.
Wichtige Erkenntnisse
- Fotograf Andreas Mader beleuchtet die Alltagsarchitektur Winterthurs.
- Sein Foto-Essay «Interim» zeigt unbeachtete Bauten und deren Ästhetik.
- Die Ausstellung im Forum Architektur präsentiert Maders Arbeiten.
- Mader kritisiert subtil die Anonymität moderner Wohnüberbauungen.
Ein Blick auf das Verborgene
Andreas Maders «Interim» ist kein üblicher Architekturführer. Die Publikation ist vielmehr ein Gegenentwurf zu den «Paraden der Besten», die oft nur die spektakulärsten Bauwerke präsentieren. Mader richtet seinen Fokus auf jene Bauten, die im städtischen Alltag häufig übersehen werden. Dazu gehören auch Strukturen, die auf ihren Abriss warten und nur noch provisorisch genutzt werden.
Der Fotograf rückt diese scheinbar bedeutungslosen Bauten als Akteure ins Bild. Er verleiht ihnen eine Präsenz, die im städtischen Raum fast gewaltsam wirkt. Gleichzeitig entdeckt man in seinen urbanen Visionen auch Momente, in denen das Licht eine wunderbare, atmosphärische Wirkung entfaltet. Maders Arbeiten enthalten auch eine subtile Kritik an der modernen Architektur.
Interessanter Fakt
Andreas Mader ist seit 2014 in Winterthur ansässig und fungiert als Hausfotograf des Forums Architektur.
Von Auftragsarbeiten zur eigenen Vision
Im Auftrag des Forums Architektur hat Mader über Jahre hinweg Winterthur fotografisch erkundet. Schon diese frühen Auftragsarbeiten liessen seinen eigenwilligen Blick auf die Stadt und ihre Architektur erkennen. Mit dem Foto-Essay «Interim» wird nun deutlich, wie Mader eine ganz eigene Sichtweise entwickelt hat. Er nimmt die sichtbare Welt nicht einfach als gegeben hin, sondern verwandelt sie mit seiner Kamera – ähnlich einem Maler.
«Mader verwandelt die sichtbare Welt wie ein Maler, allerdings mit Kamera.»
Das Warten auf den Abriss
Maders fotografische Reise führte ihn von der Peripherie ins Zentrum der Stadt. Am Stadtrand von Töss, in einem gewerblichen Niemandsland, entdeckte er zwei Arbeiterhäuser. Deren Leben wurde durch Zwischennutzungen verlängert, doch der Bagger könnte jederzeit anrollen. Diese Provisorien und die umliegenden Parkplätze im Hinterhof sind Orte, die auf ihre Erlösung aus der Trostlosigkeit warten.
Entlang der Zürcherstrasse dokumentiert Mader alle hundert Meter die pittoreske Tristesse verbrauchter Fassaden. Tote Schaufenster, gerahmt von schöner steinerner Ornamentik, künden vom baldigen Untergang. Die Patina vergangener Zeiten hat sich in diesen Bildern als Melancholie abgelagert. Sie erzählen Geschichten von Vergänglichkeit und Wandel im urbanen Raum.
Hintergrundinformationen
Das Forum Architektur Winterthur fördert das Verständnis und die Auseinandersetzung mit Architektur und Stadtentwicklung. Es bietet eine Plattform für Ausstellungen, Vorträge und Diskussionen.
Monumentalbauten prägen den Strassenraum
Die Umgebung des Winterthurer Hauptbahnhofs war über Jahre hinweg Schauplatz von umfangreichen Hoch- und Tiefbauarbeiten. Maders künstlerische Reportage rückt die spektakuläre Besetzung des Strassenraums in den Mittelpunkt. Ein blau- und rotfarbener, monumentaler Baukran erhob sich neben der Hauptpost. Die Rudolfstrasse glich zeitweise einer U-Bahn-Baustelle. Mächtige Infrastrukturbauten aus Beton wuchteten sich in den öffentlichen Raum und verstellten ihn.
Diese Monumentalbauten lassen die Fussgänger klein erscheinen. Sie verkörpern ein übermächtiges Gegenüber, das die menschliche Dimension in den Hintergrund drängt. Maders Fotos halten diese temporäre, aber eindringliche Transformation des Stadtbildes fest. Sie zeigen die rohe Kraft der Bauprojekte und deren Einfluss auf die städtische Wahrnehmung.
- Bauprojekte: Umfassende Hoch- und Tiefbauarbeiten am Hauptbahnhof.
- Visuelle Wirkung: Monumentale Kräne und Betonstrukturen dominieren den Raum.
- Einfluss auf Menschen: Fussgänger wirken klein im Angesicht der grossen Bauten.
Empfindsamkeit für Atmosphären
Mader besitzt ein empfindsames Auge für Atmosphären. Die Stimmung wird in seinen Bildern oft zum zentralen Thema, die Architektur rückt dabei in den Hintergrund. Das Zentrum Töss beeindruckt zwar als Grossbau, doch in ein hochsommerliches Abendlicht getaucht, wirkt es wie ein Backofen, der in den Schattenzonen allmählich auskühlt. Das Dämmerlicht legt sich über den Betonkoloss und verwandelt ihn in eine Lichterscheinung.
Diese Lichtstimmung verbirgt, wie ramponiert und geschunden das Ensemble von Wohnen und Gewerbe dem nüchternen Auge tatsächlich erscheint. Peter Stamms Essay über das Erinnern als schönen und schmerzvollen Erfahrungsprozess findet in Maders Bildern ein passendes Echo. Es geht um die Schichten der Wahrnehmung und die Geschichten, die sich hinter den Oberflächen verbergen.
Maders Fotos formulieren unterschwellig auch Kritik, indem sie «Unorte» aufspüren. Dies sind Situationen ohne Aufenthaltsqualität, denen es an Identifikationsangeboten mangelt. Es stellt sich dort kein Gefühl von Heimat oder Zuhause ein. Mader bevorzugt fahle, kühle Farben. Diese Farben sagen auch etwas über das emotionale Klima aus, das im Umfeld von Wohnüberbauungen in Neuhegi oder auf Parkplätzen von Shoppingcentern in der Grüze herrscht.
Zahlen und Fakten
Maders Ausstellung «Interim» ist im Forum Architektur an der Zürcherstrasse 43 in Winterthur zu sehen. Die Finissage findet am 4. Oktober um 15 Uhr statt.
Anonymität moderner Architektur
Diese Architekturen könnten überall stehen, beispielsweise in Deutschland. Sie sind austauschbar und anonym, geprägt durch die Renditeökonomie. Menschen tauchen in diesen kalten städtischen Räumen eher zufällig auf, obwohl diese Orte eigentlich für lebende Wesen geschaffen wurden. Die Bilder regen zum Nachdenken über die Funktion und Wirkung moderner Urbanität an.
Zu Maders eindrucksvollem Foto-Essay hat Andreas Betschart, Leiter Sammlung der Stadtbibliothek, einen lesenswerten Textbeitrag verfasst, der weitere Einblicke in die Thematik bietet. Die Zusammenarbeit von Fotograf und Autor vertieft die Auseinandersetzung mit den gezeigten Werken und deren gesellschaftlicher Relevanz. Maders Arbeit ist ein wichtiger Beitrag zur Diskussion über Architektur und Stadtbild in Winterthur.
Ausstellungsinformationen
- Ort: Forum Architektur, Zürcherstrasse 43, 8400 Winterthur
- Öffnungszeiten: Do bis Fr: 17–20 Uhr; Sa bis So: 15–18 Uhr
- Finissage: 4. Oktober, 15 Uhr





