Die Zürcher Künstlerin Karoline Schreiber realisiert ein grossflächiges Kunstprojekt für das sanierte Gefängnis in Pfäffikon. Sie gestaltet eine Serie von fünf Wandbildern mit überdimensionalen Pflanzenmotiven. Eines der Werke ist öffentlich zugänglich, während die anderen vier ausschliesslich für die inhaftierten Personen und das Personal sichtbar sein werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Künstlerin Karoline Schreiber hat den Auftrag für die künstlerische Gestaltung des sanierten Gefängnisses Pfäffikon erhalten.
- Sie malt fünf grossformatige Wandbilder, die überdimensionale Pflanzen aus der lokalen Umgebung zeigen.
- Die Motive wurden gewählt, um einen universell positiven und hoffnungsvollen Bezug zur Natur herzustellen.
- Das Projekt stellte die Künstlerin vor erhebliche technische und konzeptionelle Herausforderungen, die sie mit einem speziellen Verfahren löste.
Ein Kunstwerk zwischen Öffentlichkeit und Anstalt
Im Rahmen der Gesamtsanierung des Gefängnisses und Bezirksgebäudes Pfäffikon wurde ein Kunstwettbewerb ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt die in Zürich lebende Künstlerin Karoline Schreiber. Ihr Konzept überzeugte die Jury mit dem Titel „Internal Landscapes“ (Innere Landschaften).
Das Projekt umfasst insgesamt fünf Wandbilder. Das grösste und auffälligste Werk ziert bereits jetzt eine 80 Quadratmeter grosse Wand im öffentlichen Innenhof nahe dem Besuchereingang. Es zeigt überdimensionale Klee-, Löwenzahn- und Farnpflanzen in einem warmen Grünton. Dieses Bild ist das einzige der Serie, das von der Öffentlichkeit betrachtet werden kann.
Die übrigen vier Malereien befinden sich im Inneren der Anstalt. Sie sind für die Inhaftierten und das Gefängnispersonal bestimmt und sollen deren Alltagsumgebung positiv beeinflussen. Ein sechstes Werk ist als rankende Pflanze an der dreistöckigen Mauer im Spazierhof konzipiert.
Der lange Weg zum passenden Motiv
Die Gestaltung von Kunst für ein Gefängnis ist eine besondere Aufgabe. Karoline Schreiber setzte sich intensiv mit dem Kontext auseinander. „Ich konnte diesen Kontext nicht einfach ausblenden, sondern habe ihn von Beginn weg in meine Recherche einbezogen“, erklärt die Künstlerin.
Verworfene Ideen und neue Einsichten
Zunächst experimentierte Schreiber mit symbolischen und metaphorischen Ansätzen. Sie skizzierte Sitzgelegenheiten als Anspielung auf das „Absitzen“ einer Strafe oder zeichnete tote Äste, die sie als Symbol für gesellschaftliche Aussenseiter interpretierte. Doch keine dieser Ideen fühlte sich richtig an.
„Ich war noch nie inhaftiert, ich kenne die Gedanken und Gefühle dieser Menschen nicht. Wer bin ich dann, ihnen Bilder mit meinen Metaphern und Symbolen vorzusetzen?“
Schreiber erkannte, dass ihre Perspektive von aussen kam und sie den Inhaftierten keine Deutungen aufzwingen wollte. Dieser Gedanke führte zu einer grundlegenden Neuausrichtung ihrer Arbeit.
Der Rat der Expertin
Ein entscheidender Wendepunkt war ein Gespräch mit einer forensischen Psychologin. Diese riet der Künstlerin, den Fokus von den Taten der Inhaftierten zu lösen. Stattdessen wies sie auf einen universellen Wunsch aller Gefangenen hin: „Sie möchten draussen sein und die Natur sehen.“ Diese Aussage bestärkte Schreiber darin, sich auf Naturmotive zu konzentrieren.
Die Künstlerin entschied sich daraufhin, etwas zu schaffen, das über kulturelle, sprachliche und religiöse Grenzen hinweg positiv aufgenommen werden kann. Sie begann, Pflanzen aus der direkten Umgebung des Gefängnisses zu sammeln und zu zeichnen. So entstanden die Entwürfe für die grossformatigen Darstellungen von Klee, Mohn und Farn.
Von der Skizze zur monumentalen Wandmalerei
Die Umsetzung der filigranen Tuschezeichnungen auf riesige Wände stellte die nächste grosse Herausforderung dar. Die Grösse der Flächen erforderte eine besondere Herangehensweise, um die Werke nicht leblos wirken zu lassen. „So ein 80-Quadratmeter-Bild muss man ganz anders angehen, sonst kann es bieder wirken“, so Schreiber.
Technische Umsetzung
- Projektionstechnik: Um die feinen Details der Tuschezeichnungen zu erhalten, wurden die Skizzen nachts mit einem lichtstarken Beamer auf die Wände projiziert.
- Manuelles Nachzeichnen: Schreiber und ihr Team pausten die Projektionen auf einem Gerüst in teils grosser Höhe mit Bleistift durch.
- Ausmalen unter erschwerten Bedingungen: Die Malerarbeiten am Aussenbild fanden im Hochsommer statt und waren durch extreme Hitze und Regen geprägt.
Die Arbeit im Dunkeln auf dem Gerüst war eine neue Erfahrung für die Künstlerin. „Nachts durcharbeiten und am Morgen bei Sonnenaufgang mit den Pendlern im Zug nach Zürich sitzen, das hat mir gefallen“, beschreibt sie diese intensive Phase. Nach acht Wochen war das grosse Aussenbild fertiggestellt.
Die verbleibenden vier Bilder im Inneren des Gebäudes sind kleiner und können witterungsunabhängig fertiggestellt werden. Die offizielle Einweihung der Kunstwerke ist für die Eröffnung des Gefängnisses im Frühsommer 2026 geplant.
Eine neue Perspektive auf Freiheit
Das Projekt im Gefängnis Pfäffikon war für Karoline Schreiber mehr als nur ein künstlerischer Auftrag. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Ort und den Lebensumständen der Inhaftierten hat ihre eigene Wahrnehmung nachhaltig geprägt.
Auf die Frage, was sie aus dieser Erfahrung mitnehme, antwortet sie nachdenklich: „Ein neues Gefühl für den Begriff Freiheit.“ Damit sei auch die Erkenntnis verbunden, wie viele Gestaltungsmöglichkeiten sie allein dadurch habe, dass sie ein straffreier Mensch sei.
Ihre Werke sollen nun den Menschen im Gefängnis einen visuellen Ankerpunkt bieten – einen Blick auf eine stilisierte, aber hoffnungsvolle Natur, die jenseits der Mauern existiert und die inneren Landschaften der Betrachter bereichern kann.





