Das Museum Ittingen präsentiert eine neue Ausstellung über Reliquien aus dem Thurgau. Zu den gezeigten Objekten gehört auch ein Skelett eines sogenannten Katakombenheiligen aus Rom, das bis vor Kurzem in einer Prozession in Hagenwil verwendet wurde. Kurator Felix Ackermann betont, dass diese Objekte über Generationen hinweg verehrt wurden und ein wichtiges historisches Phänomen darstellen.
Wichtige Punkte
- Das Museum Ittingen zeigt eine Sonderausstellung zu Reliquien.
- Ein zentrales Exponat ist das Skelett des Katakombenheiligen Benediktus.
- Reliquien spielten eine wesentliche Rolle in der kirchlichen Praxis und Kunst.
- Die Ausstellung umfasst Objekte aus Thurgauer Pfarreien und private Erinnerungsstücke.
- Der Reliquienkult entstand im 4. Jahrhundert nach Christus.
Reliquien als Fenster zur Geschichte
Museumskurator Felix Ackermann erklärt, dass die Hauptaufgabe des Museums die Vermittlung der Klosteranlage ist. Wechselausstellungen, die einen Bezug zum Kloster haben, ergänzen dieses Angebot. Reliquien sind dabei von großer Bedeutung, da sie als Gattung kirchlicher Praxis und Kunst eine wesentliche Rolle spielen.
Der Reliquienkult basierte auf der Hoffnung auf Heil und Wunder. Gläubige glaubten, dass Heilige durch die Präsenz ihrer Überreste Wunder bewirken könnten. Dies beschreibt das Museum auch auf seiner Webseite. Ackermann betont, dass Reliquien Objekte sind, die über Generationen hinweg verehrt wurden, auch wenn sie von kirchenfernen Kreisen oft kritisch betrachtet werden.
Interessanter Fakt
Das Wort Reliquie stammt vom lateinischen «relinquere» ab, was «zurücklassen» bedeutet. Wörtlich übersetzt bedeutet es «Überbleibsel».
Nicht nur religiöse Objekte
Die Ausstellung richtet sich auch an ein breiteres Publikum, einschließlich kritischer Besucher. Neben religiösen Reliquien sind auch persönliche, nicht-religiöse Erinnerungsstücke zu sehen. Ein Beispiel dafür ist ein feines Armband aus Haaren einer Angehörigen einer St. Galler Familie, das über Generationen weitergegeben wurde. Solche Objekte sind in einer Vitrine im Korridor ausgestellt.
Die Schau verteilt sich auf vier Räume und zeigt Reliquien aus verschiedenen Thurgauer Pfarreien. Dank eines Inventars der Thurgauer Denkmalpflege erhielt Kurator Ackermann schnell einen Überblick über interessante Objekte. Er hebt hervor: «Wir hätten locker das Dreifache an Gegenständen ausstellen können.» Der Kanton verfügt über einen «unglaublich großen Reliquienbestand».
Was sind Reliquien?
Katholisch.de definiert Reliquien als Überreste religiöser Persönlichkeiten. Dies muss nicht zwingend ein Körperteil sein. Auch ein Stück Kleidung oder ein Gebrauchsgegenstand, mit dem der Heilige in Berührung kam, kann als Reliquie gelten. Für Gläubige haben diese «Überbleibsel» eine besondere Bedeutung.
Die Verehrung erinnert nicht nur an den Tod des Heiligen, sondern erhofft sich auch Hilfe und Segen durch die Fürbitte des Heiligen bei Gott. Kranke werden beispielsweise mit einer Reliquie berührt, in der Hoffnung auf Genesung. Die Hilfe wird dabei dem Heiligen selbst zugeschrieben, nicht dem Gegenstand als solchem, so katholisch.de.
Hintergrund zum Reliquienkult
Der Reliquienkult entstand im 4. Jahrhundert nach Christus. Zu dieser Zeit wurde das Christentum zur römischen Staatsreligion unter Kaiser Konstantin. Grosse Kirchen wurden gebaut, oft über Märtyrergräbern. Die Gebeine verehrter Heiliger wurden später gehoben und in Kirchen gebracht, oft in Altären eingelassen.
Der Katakombenheilige Benediktus
Ein Raum der Ausstellung ist einer einzigen, besonders speziellen Reliquie gewidmet: dem Katakombenheiligen Benediktus. Kurator Felix Ackermann beschreibt ihn als prächtig gekleidet und auf einer Art Matratze liegend. Dieses Exponat ist eine Leihgabe der Thurgauer Pfarrei Hagenwil.
In Hagenwil wurde Benediktus bis vor wenigen Jahren noch in einer Prozession durch das Dorf getragen. Vier Träger, verkleidet als römische Soldaten, übernahmen diese Aufgabe. Diese Praxis wird heute nicht mehr durchgeführt. Normalerweise wird die lebensgroße Reliquie in einem Schrein im Chor der Kirche Hagenwil aufbewahrt.
«Das hat auch stattgefunden, bevor wir ihn nach Ittingen transportiert haben», sagt Ackermann über die jährliche Aufstellung am Patronatstag.
Am Patronatstag, dem ersten Sonntag im September, wird Benediktus aus dem Schrein genommen und in der Kirche aufgestellt. Dies zeigt, dass diese Reliquie noch für kultische Zwecke verwendet wird, wenn auch in veränderter Form. Das Museum muss sie daher vor Anfang September 2026 an die Pfarrei zurückgeben. Die meisten anderen ausgestellten Reliquien haben hingegen keine kultische Verwendung mehr.
Die Geschichte von Benediktus
Benediktus ist ein menschliches Skelett, das einer römischen Katakombe entnommen wurde. Ackermann zufolge überführte ein St. Galler Mönch diesen Verstorbenen im Jahr 1770 nach St. Gallen. Dort wurde das Skelett eingekleidet und zwei Jahre später «mit einer gewaltigen Prozession nach Hagenwil überführt».
Eine dokumentierte Auflistung beschreibt die Teilnahme verschiedener historischer Figuren in Kostümen an dieser Prozession. Dazu gehörten der römische Kaiser Diokletian, unter dem es Christenverfolgungen gab, sowie der christenfreundliche Kaiser Konstantin. Auch Soldaten, Heilige und Apostel waren vertreten. «Am Schluss lief der Fürstabt von St. Gallen im Umzug mit», so Ackermann. Dies unterstreicht die sinnliche Erfahrung, die den Menschen durch die Reliquienübergabe vermittelt werden sollte.
Wussten Sie schon?
Die Identität des Katakombenheiligen Benediktus ist ungeklärt. Es handelte sich wohl um einen spätrömischen Bürger aus einer Katakombe. Da Namen oft fehlten, entstanden Fantasienamen wie Benediktus, der Gesegnete.
Entwicklung des Reliquienkultes
Der Reliquienkult begann im 4. Jahrhundert nach Christus, als das Christentum römische Staatsreligion wurde. Unter Kaiser Konstantin wurden große Kirchen über Märtyrergräbern errichtet, etwa über den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus in Rom. Die Altäre dieser Kirchen lagen über den als Apostelgräber angesehenen Stätten.
Später wurden die Gebeine verehrter Heiliger gehoben und in die Kirchen gebracht. Oft wurden sie in Altären eingelassen oder in Gräbern in der Kirche bestattet. Ab dem Hochmittelalter wurden vermehrt Sarkophage oder Schreine mit Säulen hinter dem Hochaltar aufgestellt. Auch kleine Email-Reliquiare entstanden in dieser Zeit.
Sichtbarkeit der Reliquien
Anfangs waren die Überreste in den Reliquiaren nicht sichtbar, wie Ackermann erklärt. Erst ab dem Spätmittelalter wurden Reliquiare so gestaltet, dass die Überreste zu sehen waren. Die Reformation führte zu einem Einschnitt in diese religiöse Praxis und in die Heiligsprechungen.
Mit dem Konzil von Trient im Jahr 1561 kehrte die katholische Kirche zu ihren Traditionen zurück. «Seither bleibt der Reliquienkult präsent, aber er zeigt sich in neuen Formen», sagt Felix Ackermann. Ein modernes Reliquiar in der Ausstellung stammt vom Wiler Goldschmied Willi Buck.
Buck gestaltete 1967 die Kirche von Diessenhofen künstlerisch aus und schuf dabei auch ein Bruder-Klaus-Reliquiar für den örtlichen Kirchenpatron. Ackermann beschreibt es als «einen kleinen Kubus, der auf vier Säulen steht». Dies spielt auf die hochmittelalterliche Tradition von Schreinen auf Säulen hinter dem Altar an.
Die Ausstellung «Reliquien – Objekte der Kontemplation in der Kirche und darüber hinaus» ist noch bis zum 30. Juni 2026 im Ittinger Museum in der Kartause Ittingen zu sehen.





