In einer Zeit, in der Streaming-Dienste dominieren und viele Kinosäle leer bleiben, feiert das Winterthurer Programmkino Cameo sein zehnjähriges Bestehen. Mit einem engagierten Team und einem klaren Fokus auf Filmvielfalt hat sich das kleine Kino zu einem wichtigen kulturellen Treffpunkt in der Stadt entwickelt und verzeichnet steigende Besucherzahlen.
An diesem Wochenende lädt das Cameo zu einem Jubiläumsfest ein, das die Geschichte und die Zukunft des Kinos zelebriert. Das Programm reicht von Filmklassikern über Vorpremieren bis hin zu einer Party mit Filmmusik.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Programmkino Cameo in Winterthur feiert sein 10-jähriges Bestehen.
- Trotz des allgemeinen Kinosterbens verzeichnet das Cameo steigende Besucherzahlen und ein immer breiteres Publikum.
- Der Erfolg basiert auf einem kuratierten Programm, der familiären Atmosphäre und dem Engagement von rund 50 ehrenamtlichen Mitarbeitenden.
- Das Jubiläum wird von Freitag bis Sonntag mit einem vielfältigen Programm aus Filmen, Quiz und Party gefeiert.
Ein mutiges Projekt in schwierigen Zeiten
Als das Kino Cameo vor genau zehn Jahren seine Türen öffnete, war die Kinolandschaft in der Schweiz bereits im Wandel. Viele traditionelle Lichtspielhäuser mussten schliessen, der Wettbewerb durch Heimkino und Streaming wurde immer stärker. Doch der Verein hinter dem Cameo liess sich davon nicht beirren. Ihr Ziel war es, einen Ort für Arthouse-Filme zu schaffen – eine Insel für Cineasten und solche, die es werden wollen.
Der anthrazitfarbene Kinowürfel in der Nähe des Bahnhofs war von Anfang an mehr als nur ein Abspielort. Er sollte ein Zentrum für Filmkultur sein, das Werke aus aller Welt in ihrer Originalsprache zeigt. Von aktuellen Produktionen bis zu vergessenen Klassikern sollte das Programm die ganze Bandbreite des Filmschaffens abbilden.
Vom Bauprojekt zum Kulturort
Die Entstehung des Kinos war ein Kraftakt, der unter dem Slogan «Die verbrecherische Lust, ein Kino zu bauen» stand. Der Bau in der aufstrebenden Lokstadt war eine bewusste Entscheidung. Die Gründer ahnten, dass sich das Quartier zu einem lebendigen Teil Winterthurs entwickeln würde – eine Vorhersage, die sich bewahrheitet hat.
Das Geheimnis des Erfolgs
Während schweizweit die Kinobesuche laut Bundesamt für Statistik tendenziell zurückgehen, trotzt das Cameo diesem Trend. Die Besucherzahlen steigen kontinuierlich, und das Publikum wird jünger und diverser. Wie erklärt sich dieser Erfolg in einem so umkämpften Markt?
Kinoleiterin Liliane Hollinger, die seit 2015 die Geschicke des Hauses lenkt, sieht den Grund im grossen Engagement des gesamten Teams. «Ich glaube, es liegt am vielen Herzblut, das hier drinsteckt. Das schlägt sich in der warmen Atmosphäre nieder», erklärt sie. Ohne die freiwillige Arbeit wäre der Betrieb nicht möglich.
Ehrenamt als tragende Säule
Rund 50 Mitarbeitende engagieren sich ehrenamtlich im Kino Cameo. Sie arbeiten an der Bar, an der Kasse oder wirken in der Programmgruppe mit, die für die Auswahl der Filme und die Organisation von Filmreihen verantwortlich ist. Dieses Engagement ist entscheidend für die finanzielle Stabilität des Kinos, das sich neben Ticketverkäufen auch durch Subventionen, Sponsoring und Mitgliederbeiträge finanziert.
Ein Programm, das verbindet
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist das sorgfältig kuratierte Programm. Anstatt nur auf Blockbuster zu setzen, fördert das Cameo die Filmvielfalt. «Filmvielfalt fördern heisst, unter anderem auch Filme zu zeigen, die nischig sind. Immer auch mit dem Risiko, wenig Publikum anzusprechen», so Hollinger. Diese Strategie hat sich ausgezahlt und ein treues Publikum geschaffen, das gezielt nach besonderen Filmerlebnissen sucht.
Das Kino erweitert sein Angebot kontinuierlich durch Sonderformate. Es gibt spezielle Vorführungen für Kinder und junge Erwachsene sowie Kooperationen mit anderen Institutionen. Kürzlich wurde beispielsweise zum Film «Wider than the Sky», der sich mit Künstlicher Intelligenz befasst, eine Professorin der ZHAW eingeladen, um den Film im Gespräch mit dem Regisseur wissenschaftlich einzuordnen.
«Ein Film schüttelt einen durch, löst Emotionen aus. Das funktioniert umso besser, wenn man wie im Kino abgesondert ist von der Aussenwelt.»
Liliane Hollinger, Kinoleiterin
Die Lage als Chance
Die strategische Positionierung in der Lokstadt hat sich als Glücksfall erwiesen. In den letzten Jahren ist in unmittelbarer Nähe viel neuer Wohnraum entstanden. Die neuen Nachbarn entdecken das Kino oft im Vorbeigehen und schätzen den kurzen Weg zu einem spontanen Filmabend.
Das Kino ist somit nicht nur ein Ziel für eingefleischte Filmfans, sondern auch ein fester Bestandteil des Quartierlebens geworden. Diese lokale Verankerung stärkt die Gemeinschaft und sichert eine konstante Auslastung.
Das Jubiläumswochenende
Die Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen spiegeln die Identität des Kinos wider. Das Programm ist eine Mischung aus Gemeinschaft, Filmkunst und Feierlaune.
- Freitag: Der Abend beginnt mit einer Jubiläumsparty im nahegelegenen Club Kraftfeld, wo zu Filmmusik getanzt wird.
- Samstag: Am Samstagabend findet ein Filmquiz statt, bei dem eine Live-Band im Kinosaal Soundtracks spielt, die es zu erraten gilt.
- Filmprogramm: Gezeigt werden unter anderem die Vorpremiere des iranischen Films «It Was Just an Accident» sowie Klassiker wie «Forrest Gump», der teilweise vom Publikum ausgewählt wurde.
Das Fest ist ein Dankeschön an das Publikum, die Mitglieder und vor allem an das Team, das mit seinem unermüdlichen Einsatz die ersten zehn Jahre ermöglicht hat. Als symbolisches Geschenk erhalten die Mitarbeitenden pinke Schweissbänder – für die geleistete Arbeit und die vielen Jahre, die noch kommen mögen.
Blick in die Zukunft
Auch nach zehn Jahren steht das Kino nicht still. Kürzlich wurde der Teppich im Saal erneuert und ein moderner Laserprojektor installiert, der für eine noch bessere Bildqualität sorgt. Für die Zukunft gibt es viele Ideen, von einem zweiten Kinosaal bis hin zu unkonventionellen Formaten.
Für Liliane Hollinger ist jedoch eines am wichtigsten: «Flexibel und offen bleiben für Filme und Formate jeglicher Couleur.» Diese Haltung hat das Cameo in den letzten zehn Jahren stark gemacht und wird es auch in Zukunft als wichtigen Kulturort in Winterthur etablieren. Das gemeinsame Erlebnis im dunklen Kinosaal bleibt das Herzstück – ein Ort, an dem man zusammen auf eine Reise geht, auch wenn jeder sie für sich allein erlebt.





