In vielen Schweizer Städten wird die Suche nach bezahlbarem Wohnraum für Sozialhilfeempfänger zunehmend zu einem unüberwindbaren Hindernis. Eine aktuelle Studie der Städteinitiative Sozialpolitik zeigt, dass die staatlichen Mietbeiträge oft nicht mehr ausreichen, um die realen Kosten zu decken, was Betroffene in eine prekäre Lage bringt.
Wichtige Erkenntnisse
- In 20 befragten Schweizer Städten fehlt es an bezahlbarem Wohnraum für Sozialhilfeempfänger.
- Die Mietbeiträge der Sozialhilfe liegen oft unter den tatsächlichen Mietkosten.
- 16 von 20 städtischen Sozialdiensten verzeichnen in den letzten fünf Jahren eine Zunahme von akut wohnungsverlustbedrohten Personen.
- Neben finanziellen Hürden erschwert das Stigma der Sozialhilfe den Zugang zu Wohnungen.
Mangel an bezahlbaren Wohnungen verschärft sich
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt spitzt sich zu. Selbst für Menschen mit mittlerem Einkommen ist es in urbanen Zentren schwierig, eine passende und bezahlbare Wohnung zu finden. Für Personen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, gleicht die Wohnungssuche mittlerweile einer fast unmöglichen Aufgabe. Dies ist das zentrale Ergebnis einer Untersuchung, an der 20 Schweizer Städte teilgenommen haben.
Nicolas Galladé, Präsident der Städteinitiative Sozialpolitik und Sozialvorsteher der Stadt Winterthur, betonte kürzlich vor den Medien, dass die Wohnkosten und die Wohnungssuche zum drängendsten Problem der Sozialdienste geworden sind. Früher stand die Arbeitssuche im Vordergrund, doch diese Priorität hat sich verschoben.
Fakten zur Wohnsituation
- Zürich: Maximale Nettomiete für eine Einzelperson: 1400 Franken.
- Winterthur: Maximale Nettomiete für eine Einzelperson: 1160 Franken.
- Bern: Maximale Nettomiete für eine Einzelperson: 1050 Franken.
- Basel: Maximale Nettomiete für eine Einzelperson: 880 Franken.
Nebenkosten werden jeweils separat vergütet.
Sozialhilfeleistungen oft unzureichend
Ein Beispiel aus Winterthur verdeutlicht die Problematik: Ein 51-jähriger Mann, seit über einem Jahr arbeitslos und ausgesteuert, muss Sozialhilfe beantragen. Seine 2,5-Zimmer-Wohnung kostet netto 1300 Franken, was in Winterthur als günstig gilt. Die Sozialhilfe übernimmt jedoch für einen Einpersonenhaushalt maximal 1160 Franken Nettomiete pro Monat. Der Mann ist somit gezwungen, eine noch günstigere Wohnung zu finden, was angesichts des Mangels kaum realisierbar ist.
Michelle Beyeler, Autorin des Berichts «Wohnen und Sozialhilfe», erklärt, dass das Angebot an gemeinnützigen Wohnungen ebenfalls zu klein ist. Hinzu kommt das Stigma der Sozialhilfe, das die Bewerbung um Wohnungen zusätzlich erschwert.
"Für Sozialhilfebezüger fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Auch das Angebot an gemeinnützigen Wohnungen ist zu klein.", so Michelle Beyeler.
Steigende Bedrohung durch Wohnungsverlust
Die Umfrage unter den städtischen Sozialdiensten zeigt, dass die Zahl der Menschen, die akut von Wohnungsverlust bedroht sind, in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen hat. 16 von 20 Städten berichten von dieser Entwicklung. Besonders betroffen sind Sozialhilfeempfänger bei Leerkündigungen oder Mietzinserhöhungen nach Sanierungen. Sie können entweder die höhere Miete nicht mehr stemmen oder finden schlicht keine neue Bleibe.
Obwohl viele Gemeinden ihre Mietbeiträge im letzten Jahr erhöht haben, hinken diese der realen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt hinterher. Dies führt dazu, dass Sozialdienste immer häufiger Ausnahmen von ihren Richtlinien machen und zumindest befristet höhere Mieten übernehmen müssen.
Hintergrund der Mietanpassungen
Die Anpassungen der Mietzinse erfolgen oft aufgrund des Referenzzinssatzes und der allgemeinen Teuerung. Auch wenn die Anpassungen manchmal nur geringfügig sind, können sie für Sozialhilfeempfänger bereits das Limit überschreiten und zu finanziellen Schwierigkeiten führen.
Auflagen und Unterstützung durch Sozialdienste
Der arbeitslose Mann aus Winterthur ist verpflichtet, monatlich seine Wohnungssuche nachzuweisen. Solange er dieser Auflage nachkommt, übernimmt die Sozialhilfe die volle Miete, auch wenn sie über dem festgelegten Limit liegt. Dies ist eine wichtige Massnahme, um Obdachlosigkeit zu vermeiden.
In Fällen, wo es um kleinere Beträge geht oder persönliche Gründe gegen eine sofortige Wohnungssuche sprechen, verzichten Sozialdienste auch auf solche Auflagen. Ein Beispiel ist eine alleinerziehende Mutter mit zwei schulpflichtigen Kindern, deren Miete aufgrund des Referenzzinssatzes und der Teuerung nur 20 Franken über dem Limit liegt.
Ziele der Sozialdienste
- Wohnungserhalt: Oberstes Ziel ist es, dass Bezüger ihre günstigen Wohnungen behalten können.
- Mediation: Sozialdienste vermitteln bei Konflikten mit Vermietern, um Kündigungen zu verhindern.
- Rechtliche Unterstützung: Sie helfen Sozialhilfeempfängern bei der Durchsetzung mietrechtlicher Ansprüche, zum Beispiel bei ungerechtfertigten Mieterhöhungen.
- Kooperationen: Es gibt weiterhin Vermieter, die bereit sind, günstigere Wohnungen an Sozialhilfeempfänger zu vermieten, was die Sozialdienste aktiv fördern.
Diese Bemühungen sind entscheidend, um die Auswirkungen des angespannten Wohnungsmarktes auf die vulnerabelsten Mitglieder der Gesellschaft abzufedern und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.





