In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zunehmend verschwimmen, hat eine Winterthurer Café-Besitzerin eine klare Linie gezogen. Ramona Bonotto, Gründerin der „Chlii und Gross Familienoase“ in Neuhegi, hat in ihrem Lokal ein Laptopverbot eingeführt. Die Massnahme soll den ursprünglichen Zweck des Cafés wiederherstellen: ein Ort der Begegnung und des Spiels für Familien zu sein, frei von der Ablenkung des mobilen Büros.
Die Entscheidung, die seit dem 28. September gilt, ist eine direkte Reaktion auf einen wachsenden Trend, bei dem Eltern das Familiencafé als improvisiertes Homeoffice nutzten, während ihre Kinder unbeaufsichtigt blieben. Dies führte zu einer Atmosphäre, die laut Bonotto dem Wohl der Kinder und dem Geist ihres Unternehmens widersprach.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Familiencafé in Winterthur-Neuhegi hat Laptops verboten, um die Interaktion zwischen Eltern und Kindern zu fördern.
- Die Besitzerin, Ramona Bonotto, reagierte damit auf die zunehmende Nutzung des Cafés als Homeoffice-Arbeitsplatz.
- Sie beobachtete, dass arbeitende Eltern ihre Kinder oft ignorierten, was zu Konflikten und Unruhe führte.
- Die Reaktionen auf das Verbot sind überwiegend positiv; die Atmosphäre im Café hat sich seither spürbar verbessert.
Wenn das Café zum Büro wird
Die „Chlii und Gross Familienoase“ wurde mit einer klaren Vision gegründet: ein „Kafi für Kinder, nicht nur mit Kindern“ zu schaffen. Es sollte ein sicherer Hafen sein, in dem Eltern entspannen und sich austauschen können, während ihre Kinder in einer anregenden Umgebung spielen. Doch die Realität der modernen Arbeitswelt holte dieses Idyll schnell ein.
„Anfangs waren es nur vereinzelte Eltern, die mal kurz eine E-Mail beantworteten. Das war nie ein Problem“, erklärt Ramona Bonotto. „Aber die Situation hat sich verändert.“ In den letzten Monaten sei die Zahl der Gäste, die stundenlang mit Laptops und Headsets an den Tischen sassen, stark angestiegen. An manchen Tagen war die Hälfte der Tische von arbeitenden Eltern besetzt – laut Bonotto zu etwa 75 Prozent von Vätern.
Diese Entwicklung hatte spürbare Folgen für die Stimmung im Lokal. „Ich möchte hier einen Ort des sozialen Austauschs schaffen, keine sterile Arbeitsatmosphäre wie in einer Kaffeekette“, betont sie. Das ständige Klappern von Tastaturen und die gedämpften Stimmen aus Videokonferenzen standen im Widerspruch zur lebhaften und fröhlichen Umgebung, die sie sich für die Familien wünschte.
Das Kindeswohl im Mittelpunkt
Die Entscheidung für das Laptopverbot wurde letztlich aus Sorge um die Kinder getroffen. Bonotto, die über 13 Jahre Erfahrung als Tagesmutter verfügt, beobachtete ein beunruhigendes Muster. „Im Extremfall weinten die Kinder, stritten sich oder störten andere, während ihre Eltern komplett in ihre Arbeit vertieft waren“, berichtet sie. Die Kinder hätten verzweifelt versucht, die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu bekommen.
„Wenn Kinder beim Spielen zu wenig Aufmerksamkeit erhalten, suchen sie andere Wege, um dieses Bedürfnis zu stillen. Das kann sich darin zeigen, dass sie Spielsachen herumwerfen.“
Besonders kleine Kinder benötigen regelmässig die Rückversicherung, dass ihre Eltern präsent und ansprechbar sind. Ein kurzer Blick, ein Lächeln oder ein anerkennendes Nicken für einen gebauten Turm aus Klötzen kann hier schon ausreichen. Wenn diese Bestätigung über Stunden ausbleibt, weil die Eltern in Meetings feststecken, führt das zu Frustration bei den Kleinsten.
Die Herausforderung der Vereinbarkeit
Die Situation im Familiencafé spiegelt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung wider. Die Flexibilisierung der Arbeitswelt durch Homeoffice bietet viele Vorteile, stellt Eltern aber auch vor grosse organisatorische Hürden. Der Druck, beruflich erreichbar zu sein, und der Wunsch, Zeit mit den Kindern zu verbringen, führen oft zu dem Versuch, beides gleichzeitig zu bewältigen – eine Gratwanderung, die nicht immer gelingt.
Die Situation wurde auch für andere Gäste zur Belastung. „Eltern, die nicht arbeiteten, kamen zu mir und sagten: ‚Ich kann nicht auf fremde Kinder aufpassen‘“, erzählt Bonotto. Es sei nicht ihre Aufgabe oder die der anderen Gäste, die Betreuung für Kinder zu übernehmen, deren Eltern zwar körperlich anwesend, aber geistig abwesend sind.
Eine klare Regel und positive Folgen
Am 28. September wurde die neue Regelung eingeführt. Ein Schild am Eingang weist nun darauf hin, dass neben Hunden auch Laptops im Café nicht mehr erlaubt sind. Die Reaktionen auf diese unkonventionelle Massnahme waren überraschend eindeutig.
„Auf Social Media erhielt ich fast ausschliesslich positive Rückmeldungen“, sagt Bonotto. Zwar habe es vereinzelte kritische Stimmen gegeben, die ankündigten, nicht mehr zu kommen, doch damit könne sie leben. Die positive Resonanz überwiege bei weitem. Viele Eltern zeigten Verständnis und begrüssten die klare Haltung.
Ein sofortiger Effekt
Die Wirkung des Verbots war unmittelbar spürbar. Bonotto erzählt von einem Vater, der kurz nach der Einführung der neuen Regel seinen Laptop auspackte. „Als ich ihn freundlich auf das Verbot hinwies, packte er seinen Laptop sofort wieder ein – und begann, mit seinem Kind zu spielen.“ Genau das sei das Ziel der Massnahme gewesen.
Seit der Einführung hat sich die Atmosphäre in der „Chlii und Gross Familienoase“ wieder verändert. Die Geräuschkulisse wird nun wieder von Kinderlachen und den Gesprächen der Eltern bestimmt, nicht von geschäftlichen Telefonaten.
Kein generelles Technik-Verbot
Trotz des Erfolgs plant Bonotto keine weitere Verschärfung der Regeln. Ein Handyverbot, wie es sich einige Kunden gewünscht hätten, wird es nicht geben. Sie sieht einen wesentlichen Unterschied zwischen den Geräten.
„Ein Handy ist schnell gezückt und auch schnell wieder weggepackt“, erklärt sie. Ein Laptop auf dem Tisch hingegen signalisiere eine klare Botschaft: „Ich arbeite und bin nicht ansprechbar.“ Er schaffe eine physische und mentale Barriere, die dem Konzept einer Begegnungsstätte für Familien entgegenstehe.
Zudem nutzen viele Gäste ihr Smartphone, um Fotos vom Café zu machen und diese in sozialen Netzwerken zu teilen, was für das kleine Unternehmen auch eine wichtige Form der Werbung darstellt. Ramona Bonotto selbst nutzt ihr Handy ebenfalls hinter der Theke. Ein generelles Verbot wäre daher heuchlerisch und schwer umzusetzen.
Die Massnahme in Winterthur mag ein kleiner, lokaler Schritt sein, doch sie wirft ein Schlaglicht auf eine grosse, moderne Frage: Wie finden wir eine gesunde Balance zwischen beruflicher Flexibilität und echter, präsenter Familienzeit? Die „Chlii und Gross Familienoase“ hat für sich eine klare Antwort gefunden.





