Eine 78-jährige Frau wurde vom Bezirksgericht Winterthur zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 32 Monaten verurteilt. Der Grund: Sie fuhr wiederholt ohne gültigen Führerausweis, verursachte Unfälle und gab sich sogar als ihre verstorbene Partnerin aus. Die Richterin betonte, dass der Tod der Partnerin keine Entschuldigung für die Vielzahl der Delikte sei.
Wichtige Erkenntnisse
- Die 78-Jährige wurde siebenmal innerhalb von sechs Monaten ohne Führerausweis erwischt.
- Sie verursachte mehrere Unfälle und versuchte, sich einer Polizeikontrolle zu entziehen.
- Die Frau gab sich als ihre verstorbene Partnerin aus, um ein Auto einzulösen.
- Eine frühere Verurteilung wegen gewerbsmässigen Betrugs verschärfte das Strafmass erheblich.
- Das Gericht verhängte eine unbedingte Freiheitsstrafe von 32 Monaten.
Wiederholte Fahrten ohne Führerausweis
Die Liste der Vergehen der Seniorin ist lang und begann bereits vor knapp einem Jahr. Sie entwendete einem Bekannten einen Citroën und verursachte damit auf einer Hauptstrasse einen Frontalzusammenstoss, indem sie in einer Rechtskurve auf die Gegenfahrbahn geriet. Zwei Wochen später rammte sie mit einem Lieferwagen einen geparkten Sattelanhänger und flüchtete. Kurz darauf kollidierte sie beim Rückwärtsfahren auf einem Parkplatz erneut mit einem Auto und fuhr weiter, ignorierte ein Stoppsignal und zwang einen anderen Fahrer zu einer Notbremsung.
Im Februar versuchte die Frau, einer Polizeikontrolle zu entgehen. Sie ignorierte das Signal «Polizei, bitte folgen» und bog unerlaubt rechts ab. Bei der anschliessenden Kontrolle legte sie den Führerausweis ihrer verstorbenen Freundin vor und gab sich als diese aus. Zuvor hatte sie bereits auf dem Strassenverkehrsamt die Identität ihrer Partnerin angenommen, um ein Auto auf deren Namen einzulösen und einen Fahrzeugausweis zu erschleichen.
Faktencheck
- 7x ohne Ausweis: Innerhalb von sechs Monaten wurde die Frau siebenmal ohne gültiges Dokument im Verkehr erwischt.
- Zeitraum der Delikte: Die Vorfälle ereigneten sich zwischen September 2024 und Februar 2025.
- Tatorte: Die Fahrten fanden hauptsächlich im Grossraum Winterthur und im Zürcher Unterland statt.
Ein Leben voller Herausforderungen
Die Beschuldigte schilderte vor Gericht ein schwieriges Leben. Sie wurde als Mann geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Eine Berufsausbildung absolvierte sie nie. Gelegenheitsjobs und Phasen der Arbeitslosigkeit prägten ihren Werdegang. Ihr Vater, ein Alkoholiker, verliess die Familie. Mitte der 80er-Jahre starb ihre Mutter.
Im Jahr 1987 lernte sie ihren Partner kennen. 1989 unterzogen sich beide geschlechtsangleichenden Operationen. Sie lebte 38 Jahre mit ihrer Partnerin zusammen, bis diese im Mai 2024 verstarb. «So ganz alleine ist das Leben noch schwerer geworden», sagte die Beschuldigte unter Tränen. Kürzlich verbrachte sie drei Wochen in stationärer psychiatrischer Behandlung.
«Ich hatte kein einfaches Leben.»
Die Beschuldigte vor Gericht
Teilweise Bestreitung der Vorwürfe
Obwohl die Frau grösstenteils geständig war, bestritt sie einige Punkte der Anklage. Sie behauptete, das Fahrzeug nicht entwendet zu haben. Beim Einkaufszentrum habe sie lediglich ein Auto leicht berührt, ohne es zu beschädigen. Auch bei der Frontalkollision sei nicht sie, sondern der entgegenkommende Mercedes auf die Gegenfahrbahn geraten. «Es hat sehr stark geregnet, und ich war geblendet von den Scheinwerfern.» Den Vorwurf, der Polizei entwischt zu sein, stritt sie nur halbherzig ab.
Auf die Frage, warum sie immer wieder ohne Führerausweis unterwegs war, antwortete sie lapidar: «Um von A nach B zu kommen.» Nach dem Tod ihrer Partnerin habe sie eine schwierige Zeit durchlebt und «vermutlich ein Blackout gehabt». Die Autos seien ihr «angedreht» worden. Bezüglich des Fahrzeugausweises auf den Namen der verstorbenen Partnerin habe ihr jemand geraten, dies so zu handhaben.
Hintergrund: Hohe Rückfallgefahr
Die Staatsanwältin forderte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, eine Geldstrafe und eine Busse. Sie argumentierte, dass glaubhafte Zeugen die bestrittenen Vorwürfe bestätigen würden. Ein psychiatrisches Gutachten attestierte der Frau eine hohe Rückfallgefahr. Die Staatsanwältin fasste es prägnant zusammen: «Kriegt sie ein Auto in die Finger, fährt sie.» Bereits in den Jahren 2020 und 2024 war die Frau wegen Fahrens ohne Ausweis zu bedingten Strafen verurteilt worden.
Früheres Betrugsurteil und laufende Probezeit
Was die Lage der Seniorin zusätzlich verschärfte, war eine bedingte Freiheitsstrafe aus dem Jahr 2023. Damals wurde sie wegen gewerbsmässigen Betrugs zu 19 Monaten verurteilt. Zwischen 2008 und 2022 hatte sie ungerechtfertigt Zusatzleistungen zu ihrer IV-Rente und später Ergänzungsleistungen zur AHV bezogen. Insgesamt beliefen sich diese Bezüge auf mehr als 300'000 Franken.
Im Jahr 2022 kam heraus, dass sie und ihre Partnerin über diverse Bankkonten mit rund 700'000 Franken verfügten, obwohl sie sich als mittellos ausgegeben hatte. Die Behörden beschlagnahmten das Vermögen. Die nun verhandelten Verkehrsdelikte fielen in die laufende Probezeit dieser bedingten Strafe. Dies führte dazu, dass die Strafe für den gewerbsmässigen Betrug nun unbedingt vollzogen werden muss.
Der Verteidiger der Frau stellte die Schuld seiner Mandantin nicht in Abrede, sondern fokussierte auf die Art der Bestrafung. Er plädierte für eine bedingte Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren. «Es stellt sich die Frage, ob meine Mandantin den Rest ihres Lebens in Freiheit oder im Frauengefängnis Hindelbank verbringen wird», sagte er. Eine unbedingte Freiheitsstrafe sei der falsche Weg, und er sei «ziemlich sicher, sie wird nicht mehr straffällig.» Er fügte hinzu, dass sie im Gefängnis wohl besser betreut würde, als dort, wo sie heute lebe, aber sie wolle den Strafvollzug nicht antreten.
Das Urteil: 32 Monate unbedingte Haft
Das Gericht sprach die Frau im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte sie zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 32 Monaten, einer Busse und einer Geldstrafe. Die Richterin erklärte, dass dem Gericht aufgrund der zahlreichen Delikte während der laufenden Probezeit für den gewerbsmässigen Betrug kaum Spielraum bleibe. Der Tod der Partnerin habe die Beschuldigte zwar erschüttert, könne aber nicht als Grund für das Fahren ohne Führerausweis dienen.
«Sie alleine sind verantwortlich für das Leben, das Sie führen.»
Die Richterin an die Beschuldigte
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann an das Obergericht weitergezogen werden.





