Rund 1000 Menschen sind am Samstagnachmittag bei strömendem Regen durch den Zürcher Kreis 5 gezogen, um gegen steigende Mieten und die Verdrängung von langjährigen Bewohnern zu protestieren. Trotz Befürchtungen im Vorfeld verlief die unbewilligte Demonstration weitgehend friedlich. Die Polizei begleitete den Umzug, griff jedoch nur vereinzelt ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Etwa 1000 Personen nahmen an der unbewilligten Wohndemonstration in Zürich teil.
- Der Protest richtete sich gegen Gentrifizierung, Luxussanierungen und Massenkündigungen.
- Abgesehen von einer Aktion gegen ein Firmengebäude verlief die Kundgebung friedlich.
- Im Vorfeld sorgte ein Angriff auf den Hauseigentümerverband für politische Spannungen.
Protestzug vom Röntgenplatz zum Helvetiaplatz
Die Kundgebung begann am frühen Nachmittag auf dem Röntgenplatz, einem zentralen Ort im von Aufwertung betroffenen Kreis 5. Aufgrund des starken Regens suchten die Teilnehmenden zunächst Schutz unter Vordächern und Regenschirmen. Ein anwesender Fotograf kommentierte die Situation treffend: «Der Regen ist heute die beste Polizei.»
Gegen 14:45 Uhr setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung. Begleitet von lauten Rufen und dem Zünden einzelner Rauchpetarden und Fackeln zogen die Demonstrierenden durch die Strassen des Quartiers. Die Polizei war mit einem grösseren Aufgebot vor Ort, hielt sich aber zunächst im Hintergrund und begleitete den Marsch.
Fokus auf die «Sugus-Häuser»
Ein wiederkehrender Slogan des Umzugs war «Sugus bliibt» (Sugus bleibt). Damit bezogen sich die Protestierenden auf die Massenkündigung von 105 Mietparteien in den stadtbekannten «Sugus-Häusern» im vergangenen Dezember. Dieser Fall wurde zu einem Symbol für die aktuelle Wohnungsnot und die Verdrängungspolitik. Inzwischen hat die Schlichtungsbehörde die Kündigungen als missbräuchlich eingestuft, was den Mietern einen Teilerfolg bescherte.
Die Route führte unter anderem entlang der Langstrasse und der Josefstrasse. An strategischen Punkten, wie der Abzweigung zur Europaallee, positionierten sich Polizeikräfte mit Sperrband, um den Zug auf der vorgesehenen Route zu halten. Ein Vordringen in das neu entwickelte Geschäftsviertel wurde so verhindert.
Symbolische Aktionen und klare Botschaften
Die Demonstrierenden machten mit Transparenten und Flyern auf ihre Anliegen aufmerksam. Auf einem Flugblatt der Revolutionären Jugend Zürich (RJZ) wurde kritisiert, dass das Quartier nach den Interessen neuer, wohlhabenderer Mieter umgestaltet werde. Als Beispiele wurden «überteuerter Kaffee», Lärmbeschwerden und eine erhöhte Polizeipräsenz genannt. Die zentrale Botschaft war der Widerstand gegen eine Stadtentwicklung, die nur den Profitinteressen von Investoren diene.
Eine gezielte Aktion richtete sich gegen das Gebäude der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Demonstrierende warfen mit Wasser gefüllte Latexhandschuhe gegen die Fassade des Bürokomplexes. Diese Aktion blieb der einzige nennenswerte Zwischenfall während des rund einstündigen Marsches.
Zahlen und Fakten zur Demonstration
- Dauer: ca. 2 Stunden (davon 1 Stunde Marsch)
- Teilnehmerzahl: Geschätzt 1000 Personen
- Start: Röntgenplatz, Kreis 5
- Ende: Helvetiaplatz
Nach knapp zwei Stunden erreichte der Demonstrationszug den Helvetiaplatz, wo sich die Kundgebung auflöste. Bis auf die erwähnte Aktion und das Zünden von Pyrotechnik zu Beginn verlief der Nachmittag ohne grössere Auseinandersetzungen.
Hohe Spannungen im Vorfeld der Demonstration
Die heutige Demonstration fand in einem angespannten Klima statt. Grund dafür war ein Vorfall eine Woche zuvor, am 18. Oktober. Sechs vermummte Personen hatten die Geschäftsstelle des Zürcher Hauseigentümerverbands (HEV) in Wollishofen gestürmt. Sie versprühten Bauschaum, zündeten Konfettibomben und riefen Parolen wie «Wir kündigen euch!».
In einem Bekennervideo auf Instagram übernahm die Zürcher Antifa die Verantwortung für die Aktion und bezeichnete sie als Zeichen gegen «Immo-Haie» und die «Stadtaufwertung von oben». Der HEV erstattete daraufhin Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs.
«Das ist nicht nur ein Angriff auf Eigentum, sondern auch auf unsere demokratische Kultur.»
Der Angriff löste im Zürcher Kantonsrat parteiübergreifend Besorgnis aus. Marzena Kopp, Fraktionschefin der Mitte, verurteilte den Vorfall scharf und forderte eine klare Distanzierung von Gewalt, insbesondere von linker Seite. Auch SVP-Fraktionschef Tobias Weidmann warnte vor einer «bedenklichen Eskalation» und zog Parallelen zu früheren Angriffen aus der linksextremen Szene.
Vor diesem Hintergrund wurde die unbewilligte Wohndemo mit besonderer Aufmerksamkeit von Politik und Sicherheitskräften beobachtet. Die Befürchtungen vor grösseren Ausschreitungen bewahrheiteten sich jedoch nicht, was nicht zuletzt am schlechten Wetter gelegen haben dürfte.





