In Andelfingen setzt der Biolandwirt Heinz Höneisen auf den Anbau von Süsskartoffeln und erwartet dieses Jahr eine Ernte von bis zu 70 Tonnen. Trotz starker Konkurrenz durch billigere Importware, aufwendiger Handarbeit bei der Ernte und einer komplexen Lagerung hat sich der Anbau für seinen Betrieb als wirtschaftlich sinnvoll erwiesen.
Wichtige Fakten
- Der Biobauer Heinz Höneisen rechnet mit einer Ernte von bis zu 70 Tonnen Süsskartoffeln auf einer Fläche von 1,5 Hektaren.
- Die Ernte erfolgt schonend von Hand, nachdem eine Maschine die Knollen aus dem Boden gehoben hat.
- Ein spezielles Lagerverfahren bei 25 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit ist entscheidend für Haltbarkeit und Geschmack.
- Schweizer Süsskartoffeln stehen ohne Zollschutz in direkter Konkurrenz zu deutlich günstigeren Importen aus Ländern wie Ägypten.
Ein tropisches Gemüse im Zürcher Weinland
Auf den Feldern des Tännlihofs im Andelfinger Niederfeld bietet sich Mitte Oktober ein ungewöhnliches Bild. Die Blätter der Süsskartoffelpflanzen sind vom ersten Frost gezeichnet, doch unter der Erde sind die wertvollen Knollen unversehrt geblieben. Heinz Höneisen, der den Bio-Betrieb zusammen mit seinem Sohn Martin führt, ist bereit für die Ernte.
Seit fast einem Jahrzehnt widmet sich Höneisen dem Anbau dieser wärmeliebenden Pflanze. Auf einer Fläche von rund eineinhalb Hektaren kultiviert er das Wurzelgemüse, das ursprünglich aus Mittel- und Südamerika stammt. "Dieses Jahr erwarten wir eine gute Ernte", erklärt Höneisen. Er rechnet mit bis zu 70 Tonnen. Der warme Juni habe das Wachstum der Pflanzen begünstigt.
Klimawandel als zweischneidiges Schwert
Obwohl höhere Temperaturen den Süsskartoffeln zugutekommen, ist der Klimawandel nicht nur ein Vorteil. "Der Wasserbedarf ist hoch", betont Heinz Höneisen. Die Pflanze ist wärmeliebend, aber nicht trockenheitstolerant. Lange Trockenperioden im Sommer erfordern eine intensive Bewässerung, was den Anbau anspruchsvoll macht.
Der anspruchsvolle Weg von der Pflanze zur Knolle
Der Anbau von Süsskartoffeln ist komplex und erforderte von den Höneisens viel Experimentierfreude. Nach einer schwierigen Saison mit viel Nässe überlegten sie sogar, den Anbau aufzugeben. Doch sie optimierten ihre Methoden und fanden einen Weg, der für ihren Betrieb funktioniert.
Eine zentrale Entscheidung war, die Setzlinge flach in die Erde zu pflanzen anstatt auf traditionelle Erdwälle. Dieser Ansatz hat mehrere Vorteile. "Ohne Erdwall können wir auf der gleichen Fläche 30 Prozent mehr Pflanzen setzen", so Höneisen. Zudem kann er Maschinen nutzen, die bereits für anderes Gemüse im Einsatz sind.
Schonende Ernte von Hand
Die flache Pflanzmethode hat jedoch einen Nachteil: Eine vollautomatische Ernte ist nicht möglich. Zuerst lockert ein Traktor mit einem speziellen Pflug die Erde und hebt die Knollen an die Oberfläche. Anschliessend sammeln die 50 bis 60 Mitarbeitenden die Süsskartoffeln von Hand ein.
Was wie ein Mehraufwand klingt, ist für Höneisen die beste Lösung. "Das Auflesen von Hand ist die schonendste Methode", erklärt er. Die empfindliche Haut der Süsskartoffeln wird so kaum verletzt, was die Qualität sichert und die Lagerfähigkeit verbessert. Vollernter würden durch den Kontakt mit Metallteilen deutlich mehr Schäden verursachen.
Hohe Anfangsinvestition
Der Anbau beginnt mit einer erheblichen Investition. Die Bio-Setzlinge werden nach den Eisheiligen Mitte Mai gepflanzt. Da die Eigenproduktion zu aufwendig wäre, kauft Höneisen sie zu. Die Kosten dafür belaufen sich auf über 30’000 Franken für die gut eineinhalb Hektaren grosse Anbaufläche.
Nach der Ernte beginnt die Veredelung
Die Arbeit ist mit dem Einsammeln der Knollen noch lange nicht beendet. Ein entscheidender Schritt für Qualität und Haltbarkeit ist die sogenannte "Curing"-Phase, die man fast als Veredelung bezeichnen könnte. Die frisch geernteten Süsskartoffeln kommen für zehn bis 14 Tage in einen speziellen Raum.
Dort herrschen Bedingungen wie in den Tropen: eine Temperatur von über 25 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von rund 90 Prozent. Während dieses Prozesses wandelt sich Stärke in Zucker um, was den süssen Geschmack intensiviert. Gleichzeitig wird die Schale fester, und kleine Verletzungen von der Ernte heilen ab. Erst nach dieser Behandlung sind die Knollen monatelang haltbar und können trocken und dunkel gelagert werden.
Herausforderungen im Markt und auf dem Feld
Die grösste wirtschaftliche Hürde für Schweizer Süsskartoffelproduzenten ist der fehlende Zollschutz. Im Gegensatz zu vielen anderen heimischen Gemüsesorten werden auf importierte Süsskartoffeln keine Zölle erhoben, wenn die Schweizer Ware auf den Markt kommt. Das führt zu einem enormen Preisdruck.
"Wir sind darauf angewiesen, dass die Kundschaft Ware aus der eigenen Region schätzt."
Eine Stichprobe in einer Migros-Filiale in Winterthur verdeutlicht das Problem: Süsskartoffeln aus Ägypten wurden für 1.80 Franken pro Kilogramm angeboten, direkt daneben kostete die regionale Bio-Ware vom Tännlihof 6.80 Franken pro Kilogramm. "Die Grossverteiler zahlen den Landwirten in etwa gleich viel, egal ob biologisch oder konventionell angebaut", fügt Höneisen hinzu.
Natürliche Feinde auf dem Acker
Neben dem Marktdruck gibt es auch auf dem Feld Herausforderungen. Mäuse haben die süssen Knollen für sich entdeckt und hinterlassen Frassspuren. "Die Maus ist der Lieblingsfeind der Süsskartoffel", sagt Höneisen. Bisher gebe es keine weiteren nennenswerten Schädlinge, aber das könne sich ändern. Gegen Unkraut schützt eine Mulchfolie den Boden, da im Biolandbau keine Herbizide eingesetzt werden dürfen.
Warum sich der Anbau dennoch lohnt
Trotz aller Schwierigkeiten ist der Süsskartoffelanbau für den Tännlihof ein Erfolgsmodell. Einer der wichtigsten Gründe ist die Schaffung von Arbeitsplätzen im Winter. Die aufwendige Nachbearbeitung wie das Sortieren und Lagern der Knollen sichert einem Teil seiner Mitarbeitenden eine Beschäftigung über die kalte Jahreszeit.
Zudem generiert der Verkauf der lagerfähigen Knollen ein Einkommen in Monaten, in denen sonst nur wenig frisches Gemüse geerntet wird. Höneisen ist überzeugt, dass der Trend zur Süsskartoffel anhält. "Wir konnten unsere immer verkaufen, wir haben nie zu viele davon angebaut."
Und isst er sie selbst gerne? Höneisen lächelt. Er sei zwar nicht der grösste Fan, aber zu einem Anlass geniesst er sie besonders: "Gerne mal zum Raclette", verrät er.





