Die erste Tiny Farm der Schweiz hat ihren Betrieb in Teufen im Zürcher Unterland aufgenommen. Das Projekt konzentriert sich auf bio-intensiven Gemüseanbau auf kleinen Flächen und bildet gleichzeitig neue Gärtnerinnen und Gärtner aus. Ziel ist es, mehr Menschen für die Landwirtschaft zu begeistern und die lokale Lebensmittelversorgung zu stärken.
Die Initiative sieht die Zukunft der Landwirtschaft in einem verstärkten Engagement der Bevölkerung. Durch den Anbau von rund 40 Gemüsesorten beliefert Tiny Farm bereits lokale Restaurants und private Haushalte. Die Methode des Mikrofarming ermöglicht hohe Erträge bei geringem Ressourceneinsatz.
Wichtige Erkenntnisse
- Die Tiny Farm in Teufen ist die erste ihrer Art in der Schweiz und lehrt nachhaltigen Gemüseanbau.
- Ein neunmonatiger Lehrgang bildet 15 Teilnehmende im bio-intensiven Gärtnern aus.
- Bereits jetzt werden 40 Gemüsesorten angebaut und an Gastronomie sowie Privatkunden geliefert.
Mikrofarming: Hohe Erträge auf kleiner Fläche
Auf dem Gelände der Schlossgärtnerei Teufen wachsen Tomaten, Salate und Fenchel auf exakt definierten Beeten. Diese sind 20 Meter lang und 80 Zentimeter breit. Was wie ein grosser Familiengarten aussieht, ist die erste Tiny Farm der Schweiz. Das Gemüse wird seit Frühling bei der Schlossgärtnerei Teufen angebaut.
Die Anbaumethode folgt dem Prinzip des Mikrofarming. Hierbei wird auf kleiner Fläche nach ökologischen Standards ein möglichst hoher Ertrag erzielt. Der Grossteil der Arbeit erfolgt von Hand. Dies spart fossile Energie und reduziert die graue Energie, die in Maschinen steckt. Diese Art des Anbaus erlaubt deutlich geringere Pflanzabstände als im klassischen Feldgemüseanbau.
Faktencheck Mikrofarming
- Flächeneffizienz: Erträge bis zu viermal pro Jahr auf derselben Fläche.
- Umweltvorteile: Geringer Maschineneinsatz, weniger fossile und graue Energie.
- Biodiversität: Anbau von bis zu 40 verschiedenen Gemüsesorten, darunter auch seltene Arten.
Geschichte und Entwicklung in der Schweiz
Die bio-intensive Anbaumethode, auch Market Gardening genannt, hat ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert in Paris. Die moderne Anwendung verbreitete sich von Kanada aus in Europa. Die Tiny Farms in Deutschland entstanden im Jahr 2020 als Teil dieser weltweiten Bewegung.
Die Ansiedlung der Tiny Farm in der Schweiz war ein glücklicher Zufall. Die bisherigen Bewirtschafter der Schlossgärtnerei Teufen, Walter Schüpbach und Kar Leung Cheng, gingen just in Rente, als die deutsche Tiny Farm einen Standort in der Schweiz suchte. Adèle Garret, Geschäftsführerin von Tiny Farm, erklärte:
«Direkt neben der Schlossgärtnerei befand sich eine halbe Hektare Kunstwiese, die auch der Besitzerfamilie Kamm gehörte. Es war genau das, was wir benötigten, um eine Tiny Farm aufzubauen.»
Ende 2024 konnte die Farm mit der Bewirtschaftung der Fläche beginnen. Im Oktober 2025 wird sie die gesamte Gärtnerei übernehmen. Adèle Garret betont: «Zwar mit einem etwas anderen Fokus als die bisherigen Bewirtschafter, aber mit derselben Lust, einen schönen, naturnahen, ökologischen und vielfältig offenen Ort zu schaffen.»
Die Tiny Farm Academy: Ausbildung für neue Gärtner
Zur Tiny Farm gehört auch die Tiny Farm Academy. Dort lernen Menschen, im eigenen Garten aktiv an der Veränderung des Ernährungssystems mitzuwirken. Über neun Monate können Teilnehmende berufsbegleitend in Theorie und Praxis gärtnern lernen. Sie werden auch dabei unterstützt, eigene gärtnerische Projekte umzusetzen.
Gabriel Köppel, verantwortlich für den Gemüseanbau und den praktischen Teil der Ausbildung in Teufen, erklärt: «Bis zu viermal pro Jahr wird auf einem Feld angebaut.» Die Academy richtet sich an alle Menschen, die neugierig auf Landwirtschaft und regionalen Gemüsebau sind. Auch Personen, die sich vorstellen können, mit Gemüseanbau ein Einkommen zu erzielen, sind willkommen.
Köppel fügt hinzu: «Weil es für das Mikrofarming wenig Investitionen braucht, ist es perfekt, um den Gemüseanbau zu lernen und sich gleichzeitig mit Umweltthemen auseinanderzusetzen.» Der Erhalt und die Förderung der Bodenfruchtbarkeit sind zentral für die hohen Erträge. Laut dem deutschen Informationsportal Ökolandbau.de erzielen Praxisbetriebe mit dem Mikrofarming-Ansatz etwa 200-mal so viel Gewinn pro Hektare wie ein durchschnittlicher konventioneller Betrieb.
Hintergrund: Bio-intensives Gärtnern
Das bio-intensive Gärtnern maximiert die Produktion auf kleiner Fläche durch Techniken wie enge Pflanzabstände, Kompostanwendung und Handarbeit. Es fördert die Bodengesundheit und reduziert den Bedarf an externen Inputs. Diese Methode ist besonders für Kleinbetriebe und urbane Landwirtschaft geeignet.
Breites Interesse am Lehrgang
Am ersten Lehrgang nehmen 15 Frauen und Männer teil. Adèle Garret beschreibt die Gruppe als «sehr unterschiedlich und bunt, im Alter von 22 bis 65 Jahren». Die Motivationen sind vielfältig. Ein Teilnehmer möchte eine Gärtnerei für seine Wohngenossenschaft aufbauen. Eine andere Teilnehmerin sucht mehr Abwechslung und Natur in ihrem Alltag neben dem Bürojob. Andere möchten den Gemüsebau in ihr tägliches Leben integrieren. Ein weiterer Teilnehmer plant, einen kleinen Hof zu übernehmen und überlegt, sich dort auf Gemüseanbau zu spezialisieren.
Zum Lehrgang gehört auch das sogenannte «Innerwork». Hierbei lernen die Teilnehmenden verschiedene Methoden der Persönlichkeitsentwicklung kennen. Dies soll ihnen helfen, ihre eigenen gärtnerischen Projekte erfolgreich anzugehen.
Gemüse auf hohem Niveau für die Gastronomie
In diesem Jahr konnten bereits 40 Gemüsesorten angebaut werden. Darunter sind auch hierzulande weniger bekannte Arten wie Wassermelonen-Rettich oder das italienische Blattgemüse Catalogna. Die Ernte in Teufen findet jeden Mittwoch statt. Abnehmer sind lokale Gastronomiebetriebe oder Privatpersonen.
Privatkunden können Gemüseboxen direkt ab Hof oder in der Stadt Zürich am Schaffhauserplatz beziehen. Einer der ersten Abnehmer war das nur einen Kilometer entfernte Wirthus zum Wyberg. Dort wird auf Sterne-Niveau gekocht. Seniorchef Peter Aeschlimann präsentierte kürzlich an einem Event Kreationen aus Gemüse der Tiny Farm.
«Gemüse nimmt in der Küche eine immer wichtigere Rolle ein», sagt der Gastronom, «und wenn es so nahe wächst, umso besser.»
Peter Aeschlimann überraschte die Gäste mit 16 verschiedenen Tapas. Dazu gehörten Fruchtrettich mit Frischkäse und Ovomaltine, Schweinekarree mit Zuckermais und Popcorn sowie Lollipops aus Peperoni mit Schokoladenüberzug. Die roten Wassermelonen-Rettiche haben einen milderen Geschmack als herkömmliche Sorten und harmonieren perfekt mit Frischkäse und einem Hauch Ovomaltine.
Finanzierung und Zukunftspläne
Der Verkauf von Gemüse ist eine der Einnahmequellen der Tiny Farm. Der Aufbau des Projekts wird von der Fourfold-Stiftung finanziert. Das Lernprogramm wird teilweise durch Teilnahmegebühren und ebenfalls durch Stiftungen getragen.
Adèle Garret blickt in die Zukunft: «Wir möchten den Standort Teufen weiterentwickeln und das Angebot der Academy ausbauen.» Geplant sind neben einem eintägigen Angebot auch intensivere Möglichkeiten für den Einstieg in den Erwerbsgemüsebau. Ein weiteres Ziel ist der Aufbau eines Netzwerks aus Mikrofarmen. Diese sollen die Menschen in ihrem Umkreis mit gesunden Lebensmitteln versorgen.
«Das Gemüsegärtnern soll für alle zugänglich werden, damit mehr Menschen der Landwirtschaft näherkommen», so Garret. Bei Tiny Farm ist man überzeugt, dass die Landwirtschaft wieder viel mehr neue Köpfe und Hände braucht. Dieses Netzwerk soll dazu beitragen, die regionale Lebensmittelproduktion zu stärken und das Bewusstsein für nachhaltigen Anbau zu fördern.





