Die Schweizer Baubranche steht vor grossen Herausforderungen. Während Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Baumeisterverband stocken, erzählen Bauarbeiter aus ihrem Berufsalltag. Sie sprechen von harter, aber erfüllender Arbeit, doch auch von zunehmendem Zeitdruck und mangelnder Anerkennung. Die Rufe nach besseren Arbeitsbedingungen werden lauter.
Wichtige Erkenntnisse
- Bauarbeiter in der Schweiz erleben hohen Zeitdruck und Personalmangel.
- Der Beruf wird als körperlich anspruchsvoll, aber auch als belohnend beschrieben.
- Geringe Wertschätzung und schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind verbreitete Probleme.
- Gewerkschaften fordern bessere Bedingungen im Gesamtarbeitsvertrag (GAV).
- Viele junge Fachkräfte verlassen die Branche nach der Lehre.
Arbeitsbedingungen unter Druck
Die Baubranche ist ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Wirtschaft. Doch die Arbeitsbedingungen stehen im Fokus einer intensiven Debatte. Gewerkschaften wie Unia und Synia prangern den hohen Baudruck und den Mangel an Fachkräften an. Diese Faktoren würden den Alltag der Bauarbeiter zusehends erschweren.
Kürzlich kam es im Tessin zu ersten Protesten. Weitere Kundgebungen sind schweizweit geplant. Im Zentrum stehen die aktuellen Verhandlungen über den Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Die Forderungen nach besseren Konditionen sind unüberhörbar.
Faktencheck Baubranche
- Verhandlungen: Aktuell stocken die GAV-Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Baumeistern.
- Herausforderungen: Hoher Baudruck und Fachkräftemangel verschärfen die Situation.
- Proteste: Erste Bauarbeiter gingen bereits auf die Strasse, weitere Aktionen sind angekündigt.
Persönliche Einblicke in den Alltag
Daniel Morand, 56 Jahre alt, ist gelernter Maurer und seit 1986 in der Branche tätig. Er beschreibt seinen Beruf als sein «Fitnessstudio». Trotz der körperlichen Anstrengung würde er den gleichen Weg wieder wählen. «Ich arbeite fürs Leben gerne», sagt Morand.
«Was sich verschlechtert hat, ist der enorme Zeitdruck – wir machen mit weniger Personen in kürzerer Zeit mehr als früher.»
Daniel Morand, Polier
Der zweifache Vater kann die Sorgen junger Kollegen um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gut nachvollziehen. Früher sei es normal gewesen, spät nach Hause zu kommen, wenn die Kinder bereits schliefen. Sein eigener Beruf habe sein Familienleben erschwert, erzählt er.
Junge Fachkräfte verlassen die Branche
M.C., ein 25-jähriger Polier aus St. Gallen, absolvierte ebenfalls eine Maurerlehre. Er ist einer der wenigen, die der Branche treu blieben. Viele seiner ehemaligen Kollegen hätten den Bau verlassen, weil sie das Gefühl hätten, dort nie «Millionär zu werden».
Für M.C. ist es entscheidend, den Bauberuf für junge Menschen attraktiver zu machen. Doch der zunehmende Baudruck und die Löhne für Jungmaurer nach der Lehre würden dies erschweren. Er kritisiert auch die Pläne, die Samstagsarbeit im Rahmen der GAV-Verhandlungen wieder zu erleichtern, als «Sauerei».
Trotz der Schwierigkeiten bleibt M.C. optimistisch: «Die Arbeit ist hart, aber belohnend!»
Hintergrund: Gesamtarbeitsvertrag (GAV)
Der Gesamtarbeitsvertrag regelt die Arbeitsbedingungen, Löhne und Rechte der Arbeitnehmenden in einer Branche. Die aktuellen Verhandlungen im Bauwesen sind entscheidend für die Zukunft der Bauarbeiter in der Schweiz. Streitpunkte sind oft Arbeitszeiten, Löhne, Überstundenregelungen und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
Forderung nach mehr Anerkennung
Marco Biner, 40 Jahre alt und ebenfalls Baupolier, fordert mehr Anerkennung für das Handwerk. Er stellt fest, dass es in Führungspositionen selten geworden sei, praktische Erfahrung und theoretisches Verständnis zu vereinen. Viele schulisch stärkere Personen würden sich für den akademischen Weg entscheiden, obwohl eine handwerkliche Lehre ein idealer Startpunkt für eine erfolgreiche Karriere sein könne.
Stimmen aus der Praxis
- Daniel Morand (56): Sieht den Bau als Fitnessstudio, bedauert aber den enormen Zeitdruck.
- M.C. (25): Kritisiert geringe Löhne für Jungmaurer und erleichterte Samstagsarbeit.
- Marco Biner (40): Fordert mehr Anerkennung für das Handwerk und beklagt fehlende praktische Erfahrung in Führungspositionen.
Abkehr vom Bau und fehlende Wertschätzung
Matthias Schlatter, 33, hat die Baubranche vor zehn Jahren verlassen. Er vermisst nichts an seinem früheren Beruf. «Jedes Mal, wenn ich eine Baustelle sehe, bin ich froh, dass ich kein Teil mehr davon bin», sagt der gelernte Maurer, der heute als Sachbearbeiter arbeitet.
Besonders der raue Umgangston und die geringe Wertschätzung hätten ihm zugesetzt. Er beklagt das stereotype Bild des «dicken, dummen Biertrinkers», das oft mit Bauarbeitern verbunden werde. Auch die langen Arbeitstage waren eine Belastung. Für ein Projekt in Bern stand er teils um 3 oder 4 Uhr morgens auf und war erst um 22 Uhr wieder zu Hause.
Privatleben leidet unter Belastung
Ein Strassenbauer, der anonym bleiben möchte und für ein grosses Bauunternehmen arbeitet, berichtet von ähnlichen Problemen. Sein Privatleben leide stark unter der Arbeit. «Es wird immer nur mehr», sagt er. Die geringe Wertschätzung zeige sich auch im Alltag: Autofahrer würden Bauarbeiter manchmal beschimpfen, weil der Verkehr stockt.
Der unter 30-Jährige hat eine Frau. Er wünscht sich Kinder, doch bislang fehlte ihm die Zeit dafür. Diese persönlichen Geschichten verdeutlichen den hohen Preis, den viele Bauarbeiter für ihren Einsatz zahlen.
Die Zukunft der Baubranche
Die Berichte der Bauarbeiter zeichnen ein klares Bild: Der Beruf ist physisch anspruchsvoll und bietet vielen Erfüllung, doch die Rahmenbedingungen müssen sich ändern. Der Druck auf die Arbeitnehmer nimmt zu, während die Wertschätzung oft ausbleibt.
Die laufenden GAV-Verhandlungen sind daher von grosser Bedeutung. Sie könnten Weichen für eine Zukunft stellen, in der Bauarbeiter nicht nur hart arbeiten, sondern auch faire Bedingungen und die nötige Anerkennung erhalten. Nur so kann die Branche langfristig junge Talente gewinnen und halten.





