In Bülach beleuchtete die Mode-Expertin Melanie Hanimann die globalen Auswirkungen der Fast-Fashion-Industrie. Bei einem Vortrag für den Frauenstammtisch Zürcher Unterland präsentierte sie alarmierende Zahlen: Weltweit entstehen jährlich 92 Millionen Tonnen Textilabfälle, was pro Person etwa 57 T-Shirts entspricht. Hanimann zeigte auf, wie lokales Konsumverhalten direkt mit ökologischen und sozialen Problemen in Ländern wie Ghana zusammenhängt.
Wichtige Erkenntnisse
- Die globale Textilindustrie produziert jährlich 92 Millionen Tonnen Abfall.
- Ein grosser Teil der Altkleider landet auf riesigen Märkten in Westafrika, was lokale Industrien schwächt.
- Rund 70 % der nicht verkauften oder wiederverwendeten Textilien werden verbrannt, oft auf offenen Deponien.
- Lokale Initiativen in Bülach zeigen Alternativen wie Secondhand-Kauf und Reparatur auf.
Vom Luxus zur Wegwerfmode
Melanie Hanimann, Gründerin der Fashion-Agentur «The Hanimanns», verfügt über umfassende Erfahrung in der Modebranche. Sie arbeitete im Marketing eines grossen Schweizer Modehauses und lebte mehrere Jahre in Ghana. Diese Erfahrungen gaben ihr einen tiefen Einblick in die gesamte Produktions- und Lieferkette der Mode.
In ihrem Vortrag zeichnete sie die Entwicklung der Branche nach. Früher dominierten teure, massgeschneiderte Haute Couture und später Prêt-à-Porter-Kollektionen den Markt. Heute hat sich das Modell zu «Ultra Fast Fashion» gewandelt, bei dem Kleidung extrem billig produziert und nach kürzester Zeit entsorgt wird.
Hanimann erklärte, dass sie vor etwa zehn Jahren durch Besuche von Modeschauen in Ghana für die Problematik sensibilisiert wurde. Seither beobachtet sie die Industrie mit kritischem Blick und macht auf die weitreichenden Konsequenzen dieses Geschäftsmodells aufmerksam.
Das globale Problem der Textilabfälle
Die gigantische Menge an Textilabfällen ist eine der grössten Herausforderungen. Hanimann erläuterte die Zusammensetzung dieser Abfälle: Etwa 40 Prozent bestehen aus bereits getragenen Kleidungsstücken, die von Konsumenten entsorgt werden.
Die restlichen 60 Prozent sind sogenannter «Deadstock». Dabei handelt es sich um Neuware, die von den Herstellern überproduziert und nie verkauft wurde. Ein Grossteil dieser Kleidung wird nicht recycelt oder weiterverwendet.
Alarmierende Zahlen
Schätzungen zufolge werden rund 70 Prozent der weltweiten Textilabfälle direkt verbrannt. Diese Verbrennung findet häufig unkontrolliert auf offenen Mülldeponien statt, was zu erheblicher Luftverschmutzung und gesundheitlichen Risiken für die lokale Bevölkerung führt.
Diese Praxis verdeutlicht das lineare Wirtschaftsmodell der Fast Fashion: produzieren, kurz nutzen und entsorgen. Nachhaltige Kreislaufwirtschaftsansätze finden bisher nur in Nischen statt.
Der Secondhand-Markt in Ghana als Beispiel
Ein besonders eindrückliches Beispiel für die globalen Verflechtungen lieferte Hanimanns Bericht über den Kantamanto-Markt in Accra, der Hauptstadt Ghanas. Dieser Markt ist der grösste Umschlagplatz für Secondhand-Kleidung weltweit.
«Obroni Wawu», so nennen die Menschen in Ghana die importierten Altkleider. Das bedeutet übersetzt «Kleider von toten weissen Männern».
Jede Woche kommen dort rund 15 Millionen Kleidungsstücke an, die auf etwa 30.000 Ständen verkauft werden. Jährlich importiert Ghana Altkleider im Wert von rund 200 Millionen Dollar. Diese Zahlen zeigen das Ausmass des globalen Handels mit gebrauchter Kleidung.
Zwei Seiten einer Medaille
Hanimann betonte, dass dieser Handel eine ambivalente Rolle spielt. Einerseits schafft er Arbeitsplätze für Tausende von Menschen und stärkt lokale Gemeinschaften. Initiativen für Wiederverwendung (Reuse) und kreative Neugestaltung (Upcycling) werden gefördert.
Andererseits hat der ständige Zustrom billiger Kleidung aus dem Westen verheerende Folgen:
- Schwächung lokaler Manufakturen: Einheimische Textilproduzenten können mit den niedrigen Preisen der Importware nicht konkurrieren.
- Umweltbelastung: Kleidung, die nicht verkauft werden kann, landet auf riesigen Müllbergen und verschmutzt Böden und Gewässer.
- Gesundheitsrisiken: Die unkontrollierte Entsorgung führt zu hygienischen Problemen und gesundheitlichen Gefahren.
- Neue Abhängigkeiten: Die lokale Wirtschaft wird von den Importen aus Industrieländern abhängig.
Diese komplexen Zusammenhänge zeigen, dass das einfache Spenden von Altkleidern nicht immer eine nachhaltige Lösung darstellt.
Was kann man in Bülach tun?
Die zentrale Frage des Abends lautete: «Was jetzt?» Obwohl eine endgültige Antwort auf dieses globale Problem nicht gefunden werden konnte, wurden konkrete und umsetzbare Handlungsmöglichkeiten für den Alltag aufgezeigt.
Ansätze für bewussten Konsum
Die vorgeschlagenen Lösungen zielen darauf ab, den eigenen Konsum kritisch zu hinterfragen und nachhaltiger zu gestalten:
- Weniger kaufen: Der wichtigste Schritt ist die Reduzierung des eigenen Konsums.
- Secondhand bevorzugen: Gebrauchte Kleidung zu kaufen, verlängert deren Lebenszyklus.
- Reparieren statt wegwerfen: Kleine Schäden an Kleidung zu flicken, schont Ressourcen und den Geldbeutel.
- Auf Siegel achten: Nachhaltige Siegel können Orientierung bei der Auswahl von fair produzierter Kleidung bieten.
- Slow Fashion unterstützen: Bewusst Marken wählen, die auf Langlebigkeit, Qualität und faire Arbeitsbedingungen setzen.
Um die lokalen Möglichkeiten praktisch aufzuzeigen, präsentierte die Projektgruppe «Fair Trade Town» unter der Leitung von Barbara Guggerli einen interaktiven Stand. Besucher konnten sich darüber informieren, welche nachhaltigen Angebote es bereits direkt in Bülach und Umgebung gibt.
Der Abend machte deutlich, dass Veränderungen im Kleinen beginnen und jeder Einzelne durch bewusste Entscheidungen einen Beitrag leisten kann, um die negativen Auswirkungen der Modeindustrie zu verringern.





