In Winterthur belebt ein ungewöhnliches Konzept das Nachtleben: Die Bäckerei Kuhn am Bahnhofplatz verwandelt sich an den Wochenenden nach Ladenschluss in eine lebhafte Bar. Unter dem Namen «Disco-Beck» zieht das Lokal, wo einst die Kult-Beiz Gotthard stand, eine bunte Mischung an Gästen an, von Fussballfans bis zu Fasnächtlern.
Wichtige Erkenntnisse
- Die Bäckerei Kuhn am Bahnhofplatz Winterthur wird am Wochenende zur Bar.
- Die Brüder Denis und Davide Agasi betreiben das Lokal nach Ladenschluss der Bäckerei.
- Das Konzept nutzt das bestehende Bäckerei-Inventar und schafft eine einzigartige Atmosphäre.
- Die Bar zieht eine sehr vielfältige Kundschaft an, von FCW-Fans bis zu Fasnächtlern.
- Die Kuhn-Bar schliesst um 2 Uhr morgens und dient oft als Ort zum Vortrinken.
Vom Brotregal zum Bartresen: Ein innovatives Konzept
Wenn die Sonne über Winterthur untergeht und die Bäckerei Kuhn ihre Türen schliesst, beginnt im gleichen Raum ein anderes Leben. Zwischen den duftenden Öfen und den leeren Brotregalen entsteht eine pulsierende Bar. Discokugeln werfen ihr Licht auf die Wände, während Gäste bei Bier, Wein und Cocktails den Abend geniessen. Der Geruch von frischem Brot mischt sich dabei überraschend mit der Baratmosphäre.
Die Idee zu dieser Transformation stammt von Richard Kuhn, dem Inhaber der Kuhn Back & Gastro AG. Er bemerkte, dass abends oft Menschen auf den Holzbänken vor seiner Bäckerei sassen und ihre eigenen Getränke konsumierten. «Ich habe eine volle Gartenwirtschaft, aber keinen Betrieb», fasste Kuhn die Situation zusammen. Er suchte nach einer Lösung, um den Raum auch in den Abendstunden zu nutzen.
Faktencheck
- Die Kuhn Back & Gastro AG betreibt schweizweit 17 Filialen.
- Die Bar ist seit über einem Jahr in Betrieb.
- Die Bar beteiligt die Kuhn AG an den Umsätzen und deckt Umtriebskosten ab.
Die Agasi-Brüder bringen das Nachtleben zurück
Richard Kuhn wandte sich an Maurizio Gulli, einen bekannten Akteur in der Winterthurer Gastroszene. Gulli wiederum kontaktierte die Brüder Denis und Davide Agasi. Die Agasi-Brüder, die früher bereits die Archbar und die Aquarius-Bar erfolgreich geführt hatten, sagten zu. Seit über einem Jahr stehen sie nun wieder hinter dem Tresen und beleben das Untertor 34, wo vor vier Jahren die legendäre Kult-Beiz Gotthard schloss.
Das Konzept ist bewusst improvisiert. Das bestehende Inventar der Bäckerei wird kurzerhand umfunktioniert: Auf den hölzernen Brotablagen liegen nun Alkoholflaschen, und schwarze Tafeln listen das Getränkeangebot auf. Ein Fanschal des FC Winterthur hängt ebenfalls an der Wand, ein Zeichen der Verbundenheit mit der lokalen Fussballgemeinschaft.
«Meist kommen die FCW-Fans nach den Matches bei uns vorbei», erklärt Davide Agasi. Die Bar ist für viele Fans zu einem festen Treffpunkt geworden, besonders wegen ihrer Nähe zum Bahnhof.
Ein Ort der Begegnung für vielfältige Gäste
Die Kuhn-Bar zieht eine erstaunlich diverse Kundschaft an. An einem Abend treffen sich hier IT-Spezialisten, Türsteher, Fasnächtler und Fussballfans. Die Atmosphäre ist gelassen und offen. Trotz der unterschiedlichen Hintergründe der Gäste kommt es laut den Betreibern selten zu Konflikten.
«Bei uns ist die Kundschaft stark durchmischt», sagt Davide Agasi. Er fügt hinzu: «Mehrfach dachten wir bei gewissen Konstellationen schon: ‹Ouh, jetzt chlöpfts dänn.› Passiert sei aber nie etwas. Stattdessen diskutiert man sachlich und trinkt zusammen eins.» Diese offene Diskussionskultur ist ein Markenzeichen des «Disco-Becks» geworden.
Hintergrundinformationen
Das Untertor 34 in Winterthur hat eine lange Geschichte als Ort des Nachtlebens. Die frühere Kult-Beiz Gotthard war bekannt für ihre langen Öffnungszeiten bis in die frühen Morgenstunden. Die Kuhn-Bar füllt diese Lücke nun mit einem neuen, entspannteren Konzept.
Mehr als nur ein Ort zum Vortrinken
Die Kuhn-Bar schliesst bereits um zwei Uhr morgens. Das unterscheidet sie deutlich vom früheren Gotthard, das als letzte Station des Ausgangs galt. «Hier kommen die Gäste eher zum Vortrinken, bevor sie in einen Club weiterziehen», erklärt Davide Agasi. Viele schätzen die entspannte Atmosphäre, bevor sie sich ins Salzhaus oder andere Lokale begeben.
Ein Gast, der im IT-Bereich arbeitet, besucht die Bar regelmässig: «Ich kenne Denis und Davide aus den Bars, in denen sie früher arbeiteten, und mag ihre Art.» Er schätzt die Möglichkeit, hier in gemütlicher Runde den Abend zu beginnen. Eine Frauengruppe lobt die Drinks: «Hier gibt es die besten Drinks in Winterthur.»
Spontane Gespräche und unerwartete Freundschaften
Die Bar ist auch ein Ort für spontane Begegnungen. Eine Besucherin erzählt: «Plötzlich findet man sich vertieft in ein Gespräch mit einem Bauern aus dem Thurgau wieder.» Diese ungezwungene Interaktion zwischen Menschen aus verschiedenen Lebensbereichen ist ein zentrales Element des Erfolgs der Kuhn-Bar.
Selbst politische Diskussionen entstehen hier. Ein Türsteher, der sich selbst als rechts beschreibt, kommt ins Gespräch mit Journalisten. Innerhalb kurzer Zeit nähern sich die Standpunkte an, und der Konsens wird mit zwei Stangen Bier besiegelt: «Es braucht doch eigentlich rechts wie links.»
Der Übergang: Vom Barbetrieb zum Backen
Um zwei Uhr nachts beginnt die Verwandlung zurück zur Bäckerei. Die Discokugeln werden abgehängt, die Alkoholflaschen von den Brotablagen geräumt. Bald darauf kommt der Bäcker und beginnt mit der Arbeit. Manchmal, wenn die Bar besonders gut besucht ist, können die Agasi-Brüder das Feld nicht rechtzeitig räumen.
«Der Bäcker geht damit aber locker um», versichert Denis Agasi. «Er kommt dann schnell Hallo sagen, bevor er sich in die Backstube verzieht.» In wenigen Stunden werden an gleicher Stelle wieder frische Brotlaibe liegen, bereit für die morgendlichen Kunden. Das einzigartige Konzept des «Disco-Becks» hat sich in Winterthur etabliert und bietet eine neue Form des Nachtlebens, die Tradition und Moderne verbindet.





