Ein Vorfall in einem SBB-Zug zwischen Winterthur und Seen hat zu einer öffentlichen Debatte über den Umgang mit Menschen mit unsichtbaren Beeinträchtigungen geführt. Ein 13-jähriger autistischer Junge wurde von einem Mann attackiert, weil er einer Frau mit Kinderwagen nicht sofort Platz machte. Die Mutter des Jungen fordert nun eine breitere Bekanntheit des Sonnenblumenbändels, eines internationalen Symbols für unsichtbare Behinderungen.
Wichtige Punkte
- Ein 13-jähriger Autist wurde im Zug von einem Mann angegriffen.
- Der Junge trug den Sonnenblumenbändel, ein Symbol für unsichtbare Beeinträchtigungen.
- Die Mutter kritisiert die mangelnde Bekanntheit des Symbols in der Schweiz.
- Die SBB führen den Sonnenblumenbändel seit Juni 2024 testweise ein.
- Der Vorfall unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Aufklärung und Sensibilisierung.
Ein alltäglicher Weg wird zum Schock
Yannik Dütschler, 13 Jahre alt, fährt täglich mit dem Zug von Winterthur-Seen nach Bülach zur Schule. Für Yannik, der Autismus und ADHS hat, ist diese Routine entscheidend. Er trägt stets den Sonnenblumenbändel, ein Symbol, das auf unsichtbare Beeinträchtigungen hinweist. Dieser Bändel soll anderen Passagieren signalisieren, dass die Person möglicherweise zusätzliche Zeit oder Unterstützung benötigt.
An einem Nachmittag geriet Yanniks feste Routine aufgrund einer Gleisänderung in Winterthur durcheinander. Er war gestresst und musste sich neu orientieren. Seine Mutter unterstützte ihn telefonisch und versprach, ihn am Bahnhof Seen abzuholen. Im Zug suchte sich Yannik, der sich in Menschenmengen unwohl fühlt, einen Klappstuhl.
"Wenn man Yannik anschreit, geht sowieso nichts mehr."
Der Vorfall im Zug
Als eine Mutter mit Kinderwagen in den bereits vollen Zug stieg, eskalierte die Situation. Ein Passagier forderte Yannik lautstark auf, sofort Platz zu machen. Yanniks Mutter, Irina Dütschler, erklärte später, dass ihr Sohn in solchen Momenten blockiert sei. Ein ruhiges Erklären hätte geholfen, doch stattdessen setzte der Mann seine Beschimpfungen fort.
Die Situation verschärfte sich, als der verängstigte Yannik sich schliesslich aufrappeln konnte. Der Mann packte ihn grob am Arm und stiess ihn zur Seite. Zu Hause entdeckte Yanniks Mutter zwei blaue Flecken an seinem Arm.
Faktencheck: Der Sonnenblumenbändel
- Ursprung: 2016 am Flughafen Gatwick, England, eingeführt.
- Zweck: Signalisiert unsichtbare Beeinträchtigungen (z.B. Autismus, ADHS, chronische Krankheiten, Hörschwierigkeiten).
- Verbreitung: Weit verbreitet in Skandinavien, Deutschland, USA. In der Schweiz seit Juni 2024 in einer Pilotphase bei den SBB.
Reaktionen und die Forderung nach Aufklärung
Nach dem Vorfall wartete Irina Dütschler am Bahnhof auf ihren Sohn. Er weinte fast eine Viertelstunde lang. Zuhause, nachdem Yannik sich beruhigt hatte, teilte seine Mutter den Vorfall und ihre Gedanken in sozialen Medien. Sie betonte die unzureichende Bekanntheit des Sonnenblumenbändels.
Der Beitrag löste zahlreiche Reaktionen aus. Fast 500 Personen drückten ihr Mitgefühl aus. Einige Kommentare zeigten, dass der Sonnenblumenbändel vielen unbekannt war. Ein Nutzer schrieb: "Gut zu wissen. Kannte ich nicht und kann jetzt darauf achten, falls so was vor meinen Augen passiert." Dies unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Aufklärung.
Anzeige erstattet – Ein Zeichen setzen
Irina Dütschler hat Anzeige gegen unbekannt erstattet. Ihr primäres Ziel ist es, Yannik zu zeigen, dass solches Verhalten nicht toleriert wird. Sie betonte, dass es ihr nicht vordergründig darum gehe, den Mann zu finden und zu bestrafen. Ihr gehe es um ein grundsätzliches Verständnis.
Hintergrund: Autismus und Missverständnisse
Menschen auf dem Autismusspektrum reagieren in bestimmten Situationen anders. Dies wird von Aussenstehenden oft als "schlecht erzogen" oder "frech" missinterpretiert. Der Sonnenblumenbändel soll hier Abhilfe schaffen, indem er auf die unsichtbare Beeinträchtigung hinweist und um Verständnis bittet.
Der Sonnenblumenbändel in der Schweiz
Der Sonnenblumenbändel, international als "Sunflower Lanyard" bekannt, wurde 2016 am Flughafen Gatwick in England eingeführt. Er ist in vielen Ländern Europas und den USA etabliert. In der Schweiz startete die SBB im Juni 2024 eine Pilotphase. Der Bändel ist an ausgewählten Bahnhöfen erhältlich.
Die landesweite Einführung wird im kommenden Jahr geprüft, abhängig von Akzeptanz und Nachfrage. Der Bändel richtet sich an alle Personen mit nicht sofort erkennbaren Einschränkungen. Dazu gehören chronische Krankheiten, psychische Belastungen, Hör- oder Sehschwierigkeiten sowie Autismus.
- Was der Bändel signalisiert: "Ich habe eine unsichtbare Beeinträchtigung. Ich könnte mehr Zeit, Unterstützung oder Verständnis brauchen."
- Wo der Bändel hilft: Im öffentlichen Verkehr, in öffentlichen Gebäuden, Supermärkten oder auf Spielplätzen.
Die Rolle von Autismus Schweiz
Die Organisation Autismus Schweiz hat den Sonnenblumenbändel in die Schweiz gebracht. Eine Sprecherin der Organisation zeigte Verständnis für Irina Dütschlers Kritik. Sie bestätigte, dass die Einführung an Pilotbahnhöfen wie Zürich und Genf zwar ein wichtiger Schritt sei, die Botschaft jedoch im Alltag vieler Reisender noch nicht ankomme.
Trotz positivem Interesse und Rückmeldungen zeigen Vorfälle wie dieser, dass weiterhin viel Aufklärungsarbeit notwendig ist. Ziel ist es, weitere Partner zu gewinnen, um Verständnis und Rücksicht für Menschen mit unsichtbaren Behinderungen landesweit zu fördern. In Winterthur setzen beispielsweise das Technorama und die Winterthurer Musikfestwochen den "Sunflower Lanyard" bereits ein.
Irina Dütschler wünscht sich, dass die Menschen Yanniks Anderssein erkennen. Sie hofft auf mehr Aufklärung, um solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden. Yannik selbst bestätigte, dass er nichts Freches zu dem Mann gesagt habe, bevor er den Fernseher einschaltete.
Fazit und Ausblick
Der Vorfall im Zug verdeutlicht die Herausforderungen für Menschen mit unsichtbaren Beeinträchtigungen und deren Familien. Die mangelnde Kenntnis des Sonnenblumenbändels führt zu Missverständnissen und belastenden Situationen. Eine breitere Aufklärungskampagne könnte das Verständnis in der Bevölkerung erhöhen und den Alltag vieler Betroffener erleichtern.
Die Pilotphase der SBB und das Engagement von Organisationen wie Autismus Schweiz sind wichtige Schritte. Es bleibt jedoch entscheidend, dass die Gesellschaft insgesamt offener und informierter wird, um Menschen mit unsichtbaren Behinderungen die nötige Rücksicht und Unterstützung zukommen zu lassen.
Der Fall von Yannik aus Winterthur ist ein klares Beispiel dafür, wie wichtig Empathie und Wissen im täglichen Miteinander sind. Die Mutter des Jungen hofft, dass ihr öffentlicher Appell dazu beiträgt, dass der Sonnenblumenbändel in der Schweiz bald eine breitere Akzeptanz findet und solche Übergriffe in Zukunft vermieden werden können.





