In der Gemeinde Rickenbach bei Winterthur hat eine Konferenz der umstrittenen religiösen Bewegung «Die Letzte Reformation» stattgefunden. Rund 350 Personen nahmen an der Veranstaltung mit dem Gründer Torben Søndergaard teil. Ein Experte für Sektenfragen stuft die Gruppierung als problematisch ein und warnt vor radikalen Lehren, einschliesslich der Behauptung, Homosexualität und Autismus heilen zu können.
Das Wichtigste in Kürze
- In Rickenbach fand eine zweitägige Konferenz der Bewegung «Die Letzte Reformation» mit 350 Teilnehmenden statt.
- Der Sektenexperte Georg Schmid bezeichnet die Gruppe als radikal und mit sektenhaften Zügen.
- Kritikpunkte sind angebliche Wunderheilungen, Dämonenaustreibungen und die Behauptung, Homosexualität und Autismus seien heilbar.
- Der Gründer Torben Søndergaard und der lokale Organisator Joël Salvisberg weisen die Vorwürfe als Lügen zurück.
Veranstaltung in Rickenbach sorgt für Aufsehen
Eine Anwohnerin in Rickenbach wurde auf die Veranstaltung aufmerksam, als zahlreiche Autos mit deutschen Kennzeichen und Bibelvers-Aufklebern die Strassen blockierten. Ihre Online-Recherche ergab, dass in der örtlichen Mehrzweckhalle eine Konferenz der Bewegung «Die Letzte Reformation» stattfand. Die Veranstaltung zog rund 350 angemeldete Teilnehmer an, wie Gründer Torben Søndergaard später auf Instagram mitteilte.
Organisiert wurde die Anmietung der Halle durch den ortsansässigen Verein «Jesus Family». Die Gemeinde Rickenbach bestätigte die Vermietung und erklärte, die Halle stehe lokalen und regionalen Vereinen zur Verfügung. Bisher seien keine Reklamationen aus der Bevölkerung eingegangen.
Verbindung zwischen Organisator und Bewegung
Eine direkte Verbindung besteht durch Joël Salvisberg. Er ist Präsident des Rickenbacher Vereins «Jesus Family» und gleichzeitig der Hauptverantwortliche für den deutschsprachigen Raum bei «Die Letzte Reformation». Salvisberg leitet zudem die «TLR Pioneer Training School Winterthur», die seit 2015 Schulungen anbietet. Er schätzt die Zahl der aktiven Mitglieder in der Region Winterthur auf etwa 100 Personen.
Experte warnt vor radikalen Lehren
Georg Schmid, Leiter der kirchlichen Fachstelle für Religionen und Sektenfragen (Relinfo), stuft «Die Letzte Reformation» als eine problematische Bewegung ein. Er sieht darin keine gewöhnliche Freikirche, sondern eine Gruppierung mit sektenhaften Zügen. «Die Anhänger sehen nur ihre Form des Christentums als die wahre an», erklärt Schmid. Gleichzeitig sei Kritik am Gründer unerwünscht.
Die 2011 in Dänemark von Torben Søndergaard gegründete Bewegung orientiert sich stark an der Pfingstbewegung. Zu den typischen Praktiken gehören öffentliche Dämonenaustreibungen und angebliche Wunderheilungen. Auf dem YouTube-Kanal der Bewegung werden Videos gezeigt, in denen Menschen unter den Rufen Søndergaards zu Boden fallen.
«Es ist übel, was er behauptet, heilen zu können: etwa Autismus oder Homosexualität.»Georg Schmid, Sektenexperte bei Relinfo
Umstrittene Inhalte auf YouTube
Der englischsprachige YouTube-Kanal von «Die Letzte Reformation» hat 170'000 Abonnenten und zeigt diverse Videos, die als «Wunder» präsentiert werden. In einem inzwischen gelöschten Video mit dem Titel «Healed from Asperger's» (Geheilt von Asperger) berichtete ein Mann, wie er nach einem Gebet mit Søndergaard «von Gott befreit» worden sei. In einem anderen Video präsentiert Søndergaard zwei Frauen, die früher in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebten und nun «Sisters in Christ» seien. Schmid bezeichnet eine solche Haltung gegenüber Homosexualität als in europäischen Religionsgemeinschaften seit Jahrzehnten unüblich.
Gründer und Organisator weisen Vorwürfe zurück
Konfrontiert mit den Vorwürfen, wehrt sich Torben Søndergaard vehement. In einer schriftlichen Stellungnahme bezeichnete er die Anschuldigungen als Lügen, die von denselben wenigen Personen verbreitet würden. «Die Letzte Reformation» sei keine Sekte, da es keine formelle Mitgliedschaft gebe und keine Gelder von Anhängern verlangt würden.
Søndergaard betont die Unabhängigkeit der lokalen Gruppen. «Ich habe sehr wenig dazu zu sagen, was in den verschiedenen Gruppen passiert», schreibt er. Er behauptet, dass die Themen in Rickenbach der Aufbau gesunder Gemeinden und Familien gewesen seien. Die Aussage von Georg Schmid zur Heilung von Homosexualität und Autismus nennt er eine «verrückte Behauptung». Er fordert dazu auf, alle seine Lehren und Videos zu prüfen, um zu sehen, dass dies nie gesagt worden sei.
Video nach Anfrage verschwunden
Interessanterweise war das Video über die angebliche Heilung von Asperger am Tag nach der Presseanfrage an Torben Søndergaard vom offiziellen YouTube-Kanal der Bewegung entfernt worden. Søndergaard erklärte dazu, dass die Personen lediglich ihre persönlichen Erlebnisse mit Gott geteilt hätten und die Bewegung darauf keinen Anspruch erhebe.
Lokaler Leiter spricht von Missverständnissen
Auch Joël Salvisberg, der lokale Organisator, weist die Bezeichnung «Sekte» als Lüge zurück. Er räumt jedoch ein, dass sich die Gruppe in der Vergangenheit abgekapselt habe. «Wir haben uns abgekapselt und versuchen, diesen Rückzug wieder zu korrigieren», so Salvisberg. Die Bewegung suche nun aktiv die Nähe zu anderen Freikirchen.
Zum Thema Homosexualität vermeidet Salvisberg den Begriff «Heilung». Er gibt jedoch an, erlebt zu haben, dass Betroffene nach Gebeten «die von Gott gegebene Identität annehmen konnten». Die Haltung der Bewegung sei klar: Gott habe Mann und Frau als Gegenüber geschaffen.
Hintergrund der Bewegung
«Die Letzte Reformation» ist in ihrem Herkunftsland Dänemark stark umstritten. Dänische Medien berichteten über Vorwürfe im Zusammenhang mit Exorzismen, die an oder vor Kindern durchgeführt wurden. Laut seiner eigenen Website verliess Søndergaard Dänemark 2019 mit seiner Familie aufgrund von «religiöser Verfolgung».
In der Schweiz ist die Bewegung seit etwa 2015 aktiv, hat aber laut Georg Schmid bisher keinen grossen Erfolg. Es gebe eine hohe Fluktuation von Mitgliedern. «80 Prozent der Personen, die in eine Sekte eintreten, verlassen diese innerhalb der ersten zwei Jahre wieder», erklärt der Experte. Dies liege oft am hohen geforderten Einsatz und an enttäuschten Erwartungen, insbesondere bei Menschen in Krisensituationen. Die starke missionarische Ausrichtung der Gruppe sei eine direkte Folge davon.
- Gründung: 2011 in Dänemark durch Torben Søndergaard.
- Aktiv in der Schweiz: Seit 2015.
- Mitglieder in Winterthur: Geschätzt rund 100 aktive Personen.
- Kernlehren: Orientierung an den ersten Jüngern Jesu, Dämonenaustreibungen, Wunderheilungen.
Die Fachstelle Relinfo beobachtet, dass die Bewegung vor allem Menschen anzieht, die in einer christlichen Freikirche aufgewachsen sind und eine persönliche Krise durchleben. Søndergaards Botschaft biete hier eine einfache Antwort: Die bisherige Kirche habe zu schwach oder falsch geglaubt. Dies schaffe eine Anziehungskraft für Suchende, die nach radikaleren und vermeintlich authentischeren Glaubensformen verlangen.





