Eine Seniorin aus Winterthur sollte fast 9000 Franken für überteuerte Teppichreinigungen zahlen. Ein aufmerksamer Bankmitarbeiter verhinderte einen grösseren Schaden. Der Fall führte zu einer Verurteilung wegen Wuchers. Experten warnen vor einer Zunahme solcher Betrugsfälle in der Teppichbranche.
Wichtige Erkenntnisse
- Eine 85-jährige Frau aus Winterthur sollte 8850 Franken für Teppichreinigungen zahlen, die maximal 3500 Franken wert waren.
- Ein Bankmitarbeiter erkannte die verdächtige Transaktion und schaltete die Polizei ein.
- Der Geschäftsführer der Teppichfirma wurde wegen mehrfachen Wuchers zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt.
- Experten berichten von einer Verdopplung der Kriminalität in der Teppichbranche in den letzten sechs Jahren.
- Verbraucher sollten immer mehrere schriftliche Angebote einholen und Barzahlungen vermeiden.
Überhöhte Preise und schnelle Abwicklung
Ende 2023 erhielt Margrit Wettstein, eine 85-jährige Bewohnerin aus Winterthur, einen Werbeflyer. Dieser bot Reinigungs- und Restaurationsdienstleistungen für Polster und Teppiche an. Ein Rabatt von 30 Prozent wurde versprochen. Da ihre Polstergruppe eine Reinigung benötigte, kontaktierte Frau Wettstein das Unternehmen vom Zürichsee und vereinbarte einen Termin.
Der Geschäftsführer der Firma erschien mit einem Mitarbeiter bei Frau Wettstein. Zunächst wurde ein Preis von 1990 Franken für die Reinigung der Polstergruppe genannt. Schnell verschob sich der Fokus jedoch auf die Seidenteppiche in der Wohnung. Die Besucher behaupteten, die Teppiche seien stark von Motten und Milben befallen und bräuchten dringend eine Reinigung.
Fakten zum Fall
- Veranschlagter Preis: 8850 Franken für elf Orientteppiche.
- Angemessener Preis: Maximal 3500 Franken für alle Teppiche und die Polstergruppe.
- Differenz: Über 70 Prozent überhöht.
Ohne die ausdrückliche Zustimmung von Frau Wettstein begannen die Männer, die Teppiche zu vermessen, einzupacken und eine Auftragsliste auszufüllen. Frau Wettstein beschrieb ihre Situation als «derart perplex», dass sie sich nicht wehren konnte. Sie unterschrieb einen Vertrag, der die Reinigung und teilweise Restauration von elf Orientteppichen zu einem Preis von 8850 Franken festhielt.
Aufmerksamer Bankmitarbeiter verhindert grösseren Schaden
Um einen Teil der Rechnung in bar zu bezahlen, suchte die 85-Jährige ihre Bank in Winterthur auf. Sie wollte 5000 Franken abheben. Hier nahm die Geschichte eine positive Wendung. Ein Mitarbeiter der Bank Linth fragte Frau Wettstein nach dem Grund für die hohe Abhebung. Als sie die Situation erklärte, wurde er misstrauisch. Er sagte ihr:
«Da werden wir hellhörig. Es könnte sein, dass man Sie betrügen will.»
Auf Anraten des Bankangestellten wurde die Polizei informiert. Als die Mitarbeiter des Teppichgeschäfts die angeblich gereinigten und restaurierten Teppiche lieferten, verständigte Frau Wettstein die Stadtpolizei Winterthur. Eine Patrouille der Polizei stellte die Personen der Teppichfirma zur Rede.
Hintergrund: Wucher
Wucher ist eine Straftat, bei der jemand eine Zwangslage, Unerfahrenheit oder Leichtsinn einer Person ausnutzt, um sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, der in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung steht. Im vorliegenden Fall wurde der Preis der Dienstleistung als massiv überhöht eingestuft.
Die Polizei nahm einen der Teppiche zur Begutachtung mit. Die Staatsanwaltschaft beauftragte eine Expertin mit der Prüfung. Das Ergebnis bestätigte die Vermutung: Die ausgeführten Arbeiten waren zwar fachgerecht, der verlangte Preis jedoch «nicht nachvollziehbar und weit überhöht». Ein Betrag von maximal 3500 Franken wäre für alle Teppiche und die Polstergruppe angemessen gewesen. Unter Berücksichtigung des versprochenen Rabatts hätte Frau Wettstein nur 2450 Franken zahlen müssen.
Dank des Eingreifens des Bankmitarbeiters belief sich der finanzielle Schaden für Frau Wettstein auf 2590 Franken. Dieser Betrag setzte sich aus 1990 Franken für die Polstergruppe und einer Anzahlung von 600 Franken für die Teppiche zusammen. Als Zeichen der Dankbarkeit überreichte die Seniorin dem Bankmitarbeiter zu Ostern ein Schokoladenei.
Rechtliche Folgen für den Geschäftsführer
Der Geschäftsführer der Teppichfirma, die am Zürichsee ansässig ist, sah sich mit rechtlichen Konsequenzen konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland verurteilte ihn wegen mehrfachen Wuchers. Der rechtskräftige Strafbefehl zeigte, dass Frau Wettstein nicht das einzige Opfer war. Eine ähnliche Situation ereignete sich bei einer Kundin in Wattwil (SG).
Der deutsche Geschäftsführer wurde zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30 Franken verurteilt, was einer Summe von 5400 Franken entspricht. Diese Strafe muss er nicht zahlen, sofern er während einer Probezeit von zwei Jahren keine weiteren Straftaten begeht. Eine Busse von 1200 Franken sowie Verfahrenskosten von über 3200 Franken muss er jedoch begleichen.
Experte warnt vor «systematischen Täuschungen»
Bruno Meier, ein anerkannter Gutachter und Sachverständiger für handgeknüpfte Teppiche, bestätigt, dass der Fall von Margrit Wettstein kein Einzelfall ist. Meier war 16 Jahre lang Präsident der Schweizerischen Interessengemeinschaft Orientteppich (Igot), die sich 2017 aufgelöst hat. Er gilt als Experte der Branche und kennt die Methoden unseriöser Anbieter.
«Die Kriminalität in der Branche hat sich in den letzten rund sechs Jahren verdoppelt», sagt Meier.
Der Experte berät betroffene Konsumenten und hilft ihnen, zu ihrem Recht zu kommen. Allein in den letzten zehn Monaten hat er fast 100 neue Dossiers angelegt. Eine häufige Methode ist laut Meier das Verlangen von überhöhten Preisen für Reinigungen und Restaurationen.
Keine hohe Nachfrage für alte Teppiche
Oftmals gaukeln unseriöse Anbieter ihrer Kundschaft vor, jahrzehntealte Orientteppiche besässen einen hohen Wert. Nach einer Reinigung und Reparatur könnten diese Stücke angeblich zu hohen Preisen in deren Onlineshop verkauft werden. Viele Eltern, deren Nachkommen kein Interesse an den Teppichen zeigen, möchten die einst teuren Stücke wenigstens noch zu Geld machen.
Die Realität sieht laut Experte Meier anders aus: «Für Teppiche, die vor dreissig Jahren viel Geld gekostet haben, ist heute kaum mehr eine Nachfrage vorhanden.» Der Geschmack bezüglich Farben und Muster habe sich stark verändert. Eine aufwendige und kostenintensive Teppichreinigung und Restauration führt oft nicht zu einer Wertsteigerung. Überhöhte Preise sind laut Meier Teil eines Systems.
Schutz vor Wucher und Betrug
Um sich vor Wucher oder Betrug zu schützen, gibt Bruno Meier wichtige Empfehlungen:
- Schriftliche Offerten einholen: Vor jedem Auftrag sollten schriftliche Angebote von mehreren Anbietern eingeholt werden.
- Detaillierte Angaben in Offerten: Diese Offerten müssen Informationen wie Herkunft, Materialien, Knoten pro Quadratmeter und den Zustand der Teppiche vor der Reinigung und Restauration enthalten.
- Detaillierte Arbeitsbeschreibung: Eine genaue Aufstellung der auszuführenden Arbeiten pro Teppich ist unerlässlich.
- Definitiver Rückgabetermin: Es sollte ein fester Termin für die Rückgabe der Teppiche vereinbart werden.
- Keine Barzahlung: Kunden sollten niemals einer Barzahlung zustimmen.
- Bedenkzeit nutzen: Vor der Unterschrift unter einen Vertrag sollte man immer eine Nacht darüber schlafen und die Entscheidung nicht überstürzen.
Experte Bruno Meier ist über info@igot-ch.ch erreichbar. Telefonische Auskünfte, Tipps und Ratschläge sind kostenlos. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, sich vor solchen unseriösen Praktiken zu schützen und fachkundigen Rat einzuholen.





