Forschende der Empa haben einen Durchbruch erzielt: Sie entwickelten eine vollständig biologisch abbaubare Leiterplatte auf Holzbasis. Diese Innovation könnte die Elektronikindustrie nachhaltig verändern und die Entsorgung von Elektroschrott vereinfachen, da herkömmliche Platinen aus Erdöl nur schwer recycelbar sind.
Wichtigste Erkenntnisse
- Neue Leiterplatten aus Lignocellulose sind biologisch abbaubar.
- Sie basieren auf einem Abfallprodukt der Holzverarbeitung.
- Erste Anwendungen in funktionierenden Computermäusen und RFID-Karten.
- Ziel ist eine umweltfreundlichere Elektronikproduktion.
Das Problem der herkömmlichen Leiterplatten
Leiterplatten, auch PCBs genannt, sind das Herzstück fast jedes elektronischen Geräts. Von Smartphones bis hin zu elektrischen Zahnbürsten – überall finden sich diese grünen Platten mit Kupferbahnen und verlöteten Komponenten. Doch ihre Herstellung ist problematisch für die Umwelt.
Das Trägermaterial besteht üblicherweise aus glasfaserverstärktem Epoxidharz. Dieser Verbundwerkstoff wird aus Erdöl gewonnen und lässt sich nicht recyceln. Die Entsorgung ist aufwendig und erfordert spezielle Verfahren, wie Pyrolyseöfen mit Abluftreinigung. Angesichts der riesigen Mengen an ausgedienten Platinen, die jährlich anfallen, stellt dies eine grosse Belastung dar.
Faktencheck
- Herkömmliche Leiterplatten bestehen aus nicht recycelbarem Erdöl-Epoxidharz.
- Ihre Entsorgung ist energieintensiv und umweltschädlich.
- Weltweit fallen jährlich Millionen Tonnen Elektroschrott an.
Die grüne Alternative: Holzbasierte Platinen
Ein Team von Forschenden unter der Leitung von Thomas Geiger vom «Cellulose and Wood Materials»-Labor der Empa arbeitet an einer nachhaltigen Lösung. Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts «HyPELignum» haben sie ein Trägermaterial für Leiterplatten entwickelt, das auf Holz basiert.
Dieses Material ist nicht nur mit konventionellem Epoxidharz vergleichbar, sondern auch vollständig biologisch abbaubar. Die ersten Prototypen wurden bereits in funktionierende Computermäuse eingebaut. Dies zeigt das Potenzial für eine umweltfreundlichere Elektronik.
«Viele elektronische Geräte sind nur wenige Jahre in Gebrauch, bevor sie veralten – es ist daher nicht unbedingt sinnvoll, sie aus Materialien herzustellen, die Hunderte von Jahren überdauern können.» – Thomas Geiger, Empa-Forscher
Vom Abfallprodukt zum High-Tech-Material
Der Ausgangsstoff für das neue Trägermaterial ist eine natürliche Mischung aus Cellulose und Lignin. Es handelt sich dabei um ein Abfallprodukt. «Unsere Partner am Forschungsinstitut TNO in den Niederlanden haben ein Verfahren entwickelt, um die Rohstoffe Lignin und Hemicellulose aus dem Holz zu extrahieren», erklärt Geiger. «Was bleibt, ist die bräunliche Lignocellulose, für die es bisher keine Verwendung gab.» Geiger erkannte das Potenzial dieses Rohstoffs.
Um aus der flockigen Lignocellulose ein High-Tech-Produkt zu machen, wird sie zunächst mit Wasser gemahlen. Dabei werden die dicken Cellulosefasern zu feinen Fibrillen aufgeschlossen, die ein dichtes Netz bilden. Anschliessend wird das Wasser unter hohem Druck aus der Masse gepresst. Die Fibrillen rücken eng zusammen und trocknen zu einer festen Platte.
Der Prozess der «Hornifizierung»
Diesen Verdichtungsprozess nennen die Forschenden «Hornifizierung». Das im Material enthaltene Lignin wirkt dabei als zusätzliches Bindemittel. Die so entstandene Platte ist fast so widerstandsfähig wie herkömmliche Leiterplatten aus Glasfasern und Epoxid.
Ein wichtiger Aspekt ist die Wasserempfindlichkeit. Die kompostierbare Platte reagiert noch immer empfindlich auf Wasser und hohe Luftfeuchtigkeit. Dies ist jedoch bewusst so, denn: «Wenn gar kein Wasser mehr in das Trägermaterial eindringen kann, können auch keine Mikroorganismen, wie Pilze, mehr darin wachsen – und damit wäre die Bioabbaubarkeit nicht mehr gegeben», erläutert Geiger.
Hintergrund: Das HyPELignum-Projekt
Das EU-Forschungsprojekt «HyPELignum» verfolgt das Ziel, einen ganzheitlichen Ansatz für eine funktionale, CO₂-neutrale Elektronik zu entwickeln. Internationale Partner aus Forschung und Industrie kombinieren holzbasierte Ausgangsstoffe und möglichst unkritische Übergangsmetalle mit additiver Fertigung und fortschrittlichen Nachhaltigkeitsanalysen. Das Projekt läuft von Oktober 2022 bis September 2026 und wird im Rahmen des «Horizon Europe»-Programms sowie vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) finanziert.
Praktische Anwendungen und Zukunftsaussichten
In Zusammenarbeit mit dem Industriepartner Profactor GmbH in Österreich haben die Forschenden ihre nachhaltigen Leiterplatten mit Leiterbahnen bedruckt und mit Komponenten bestückt. So entstanden funktionierende elektronische Geräte, darunter eine Computermaus und eine RFID-Karte. Am Ende ihrer Lebensdauer könnten solche Geräte unter den richtigen Bedingungen kompostiert werden.
Sobald das Trägermaterial zersetzt ist, lassen sich die metallischen und elektronischen Komponenten aus dem Kompost entnehmen und recyceln. Dies schliesst den Kreislauf und reduziert Elektroschrott erheblich.
Nächste Schritte der Forschung
Als Nächstes wollen die Forschenden den Biowerkstoff für Leiterplatten noch widerstandsfähiger machen, ohne seine Bioabbaubarkeit zu beeinträchtigen. Bis zum Abschluss des «HyPELignum»-Projekts im Jahr 2026 sind weitere Demonstrationsgeräte mit Platten aus Lignocellulose geplant.
Ein wichtiger Fokus liegt auch auf dem Transfer in die Industrie. «Gemeinsam mit Schweizer und europäischen Unternehmen wollen wir weitere Verwendungsmöglichkeiten für den Lignocellulose-Werkstoff entwickeln», sagt Geiger. Dies könnte den Weg für eine breite Anwendung in verschiedenen Elektronikprodukten ebnen.
- Weitere Widerstandsfähigkeit des Materials verbessern.
- Entwicklung weiterer Demonstrationsgeräte.
- Industrietransfer und Erschliessung neuer Anwendungsfelder.
Die Entwicklung von Leiterplatten aus Holz ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Elektronik. Sie zeigt, wie Abfallprodukte in wertvolle Materialien umgewandelt werden können, um die Umweltbelastung zu reduzieren und Ressourcen zu schonen.




