Die Bäckerei Spatz in Oberwinterthur, ein Traditionsbetrieb seit 1973, sieht sich aufgrund der städtischen Parkplatzvorschriften mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert. Seit der Einführung der blauen Zone im September letzten Jahres haben sich die Arbeitsbedingungen für die Angestellten, insbesondere für die früh beginnenden Bäcker, verschlechtert. Dies führte zu einer drastischen Reduzierung der Öffnungszeiten und des Sortiments.
Wichtige Punkte
- Die Bäckerei Spatz musste ihre Öffnungszeiten und das Sortiment wegen der blauen Zone und Personalmangels reduzieren.
- Stadträtin Katrin Cometta (GLP) lehnt eine Ausnahmeregelung für die Bäckerei ab.
- Mitarbeitende müssen ihre Fahrzeuge während der Arbeitszeit umparkieren, was den Betriebsablauf stört und zu potenziellen Bussen führt.
- Weitere Winterthurer KMU berichten ebenfalls über Probleme durch die Parkplatzvorschriften.
- Die Suche nach geeigneten Mitarbeitenden wird durch die Parkplatzsituation zusätzlich erschwert.
Herausforderungen durch die Parkplatzsituation
Sandra Stauffer-Zürcher, die seit 25 Jahren zusammen mit ihrem Bruder Ivo Zürcher die Bäckerei Spatz führt, erklärt die aktuelle Lage. Das Geschäft, das einst täglich frisches Brot für Winterthur backte und sogar eine zweite Filiale auf dem Rosenberg eröffnete, ist nun nur noch an drei Tagen pro Woche geöffnet. Das Sortiment wurde verkleinert, und es gibt drei offene Stellen.
Obwohl die Nachfrage nach den Produkten der Bäckerei weiterhin gut ist, wie Stauffer-Zürcher betont, sei der Personalmangel ein grosses Problem. Die Einführung der blauen Zone habe die Situation zusätzlich verschärft. Dies betrifft insbesondere die Bäcker, die ihre Arbeit bereits um drei Uhr morgens beginnen müssen.
Faktencheck
- Die Bäckerei Spatz wurde 1973 gegründet und wird in zweiter Generation geführt.
- Die Öffnungszeiten wurden von täglich auf drei Tage pro Woche reduziert.
- Zwei junge Bäcker verlassen dieses Jahr den Betrieb, unter anderem wegen der Parkplatzsituation.
- Die Bäckerei kann derzeit nur zwei Parkplätze mieten; weitere sind nicht verfügbar.
Auswirkungen auf das Personal
Die frühe Arbeitszeit der Bäcker stellt eine besondere Herausforderung dar. Um drei Uhr morgens fährt noch kein öffentliches Verkehrsmittel. Daher sind die Mitarbeitenden auf das Auto angewiesen. Die blaue Zone verlangt, dass Fahrzeuge alle anderthalb Stunden umparkiert werden müssen, um Strafzettel zu vermeiden. Dies unterbricht den Produktionsprozess erheblich.
«Wegen der blauen Zone müssen unsere Angestellten alle eineinhalb Stunden ihre Brote und Gipfeli liegen lassen, um ihr Auto umzuparkieren», berichtet Sandra Stauffer-Zürcher. Sie fügt hinzu: «Und wenn sie ihre Arbeit einmal nicht rechtzeitig unterbrechen könnten, würden sie gebüsst.»
Glücklicherweise sei dies bisher noch nicht vorgekommen, aber der Druck sei spürbar. Die Bäckerei Spatz verfügt als Kleinbetrieb über keine eigenen Parkplätze, sondern mietet lediglich zwei in der Umgebung. Die Parkplatzsuche muss bei der Erstellung des Dienstplans stets berücksichtigt werden.
Städtische Position und Alternativen
Stadträtin Katrin Cometta (GLP) verteidigt die blaue Zone. Sie erklärt, die Parkplätze in den Quartieren sollen Anwohnenden sowie Handwerkern zur Verfügung stehen und nicht von Pendlern besetzt werden. Die Bevölkerung habe den Regeln für das Parkieren in der blauen Zone in einer Abstimmung vom 26. September 2021 zugestimmt. In Winterthur entsteht nach und nach eine flächendeckende blaue Zone.
Hintergrundinformationen
Die blaue Zone ist ein Parksystem, das in vielen Schweizer Städten angewendet wird. Es soll die Parkplatzsituation in Wohnquartieren entspannen, indem es Langzeitparker, insbesondere Pendler, dazu anhält, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen oder Parkhäuser zu nutzen. Anwohner können spezielle Bewilligungen beantragen, um ihr Fahrzeug länger in der blauen Zone abzustellen.
Die Bäckerei Spatz hatte die Stadträtin um eine Ausnahmeregelung gebeten. Sie schlugen vor, die Nummern der privaten Fahrzeuge ihrer Angestellten auf der Parkkarte des Geschäftsautos zuzulassen, um eine missbräuchliche Nutzung zu verhindern. Eine Antwort auf diese Anfrage steht noch aus.
«Wir bedauern die Situation der Bäckerei Spatz sehr», sagt Stadträtin Cometta. Sie betont jedoch, dass leider keine Ausnahme gemacht werden könne, da alle gleich behandelt werden müssten.
Als Alternative schlägt Cometta vor, dass die Mitarbeitenden Parkplätze auf privatem Grund mieten könnten. Dieser Vorschlag ist für Stauffer-Zürcher jedoch nicht praktikabel, da derzeit keine weiteren mietbaren Parkplätze in der Nähe der Bäckerei verfügbar sind. Auch wenn sie selbst das Velo für den Arbeitsweg nutzt, ist dies für Bäcker, die um drei Uhr morgens aus weiter entfernten Regionen wie dem Thurgau anreisen, keine Option.
Fachkräftemangel und Standortattraktivität
Die Bäckerbranche leidet unter einem Fachkräftemangel. Es ist schwierig, Bäcker zu finden, die in Winterthur wohnen und zu Fuss oder mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen können. Dies wird durch die Parkplatzsituation zusätzlich erschwert. Zwei junge Bäcker verlassen dieses Jahr den Betrieb, nicht nur um «mehr von der Welt zu sehen», sondern auch aufgrund der Belastung durch die Parkplatzsituation.
Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, hat die Bäckerei sogar darüber nachgedacht, Personen aus der Arbeitsintegration anzufragen. Sandra Stauffer-Zürcher äussert jedoch Bedenken: «Nicht jeder bringt die Leidenschaft mit, die es in unserem Beruf braucht.» Ein Gespür für den Teig und das frühe Aufstehen seien essenziell. Aktuell hilft die Tochter von Ivo Zürcher, eine gelernte Staudengärtnerin, im Betrieb aus.
Zahlen und Fakten
- Die Bäckerei Spatz bietet seit März online gekaufte Produkte via Abholbox an.
- Der Online-Verkauf soll die Nachfrage trotz gekürzter Öffnungszeiten decken.
- Die Verordnung für die blaue Zone soll laut Stadträtin Cometta nicht für einzelne Betriebe angepasst werden.
Eine Anpassung der Verordnung für einen einzelnen Betrieb ist laut Stadträtin Cometta nicht geplant, da dies eine weitere Volksabstimmung erfordern würde.
Probleme auch bei anderen KMU
Die Bäckerei Spatz ist nicht der einzige Kleinbetrieb in Winterthur, der mit den verschärften Parkplatzvorschriften kämpft. Bert Hofmänner, Vizepräsident des KMU-Verbands Winterthur und Umgebung, bestätigt, dass die restriktive Umsetzung der blauen Zone für das Winterthurer Gewerbe ein grosses Problem darstellt. Der Verband erhält immer wieder Klagen von Handwerks- und Baufirmen sowie Detaillisten.
Eine Verbandsumfrage zeigte, dass die Standortattraktivität in Winterthur für Unternehmen aufgrund der unbefriedigenden Verkehrssituation deutlich gesunken ist. Bereits heute bevorzugt die Mehrheit der lokalen Firmen einen Standort ausserhalb von Winterthur.
Ein Beispiel aus Zürich verdeutlicht diese Entwicklung: Die Bäckerei Hausamann verlegte 2022 ihre Produktion aufgrund des Parkplatzmangels nach Regensdorf.
Ein Wegzug aus Oberwinterthur ist für die Bäckerei Spatz nicht einfach, da sich dort die Produktionsstätte befindet. Sandra Stauffer-Zürcher äussert sich besorgt über die politische Situation: «Ich bin sehr gerne in Winterthur, aber so, wie es momentan politisch für uns aussieht, ist es nicht lustig.» Die Familie Zürcher hofft auf eine Lösung, um ihren Traditionsbetrieb in Winterthur weiterführen zu können.
Vergleich mit anderen Städten
Auch andere Städte in der Schweiz und Europa stehen vor der Herausforderung, Innenstädte autofreier zu gestalten und gleichzeitig die Bedürfnisse des lokalen Gewerbes zu berücksichtigen. Oft werden Kompromisslösungen gesucht, die flexible Bewilligungen für Lieferanten oder Mitarbeiter von Betrieben mit speziellen Arbeitszeiten vorsehen.





