Das lange ungenutzte Gauss-Stierli-Areal in Zürich-Seebach, eine der letzten grossen Brachflächen in Zürich-Nord, hat einen neuen Eigentümer. Der Zürcher Unternehmer Werner Hofmann plant, die denkmalgeschützten Fabrikhallen zu sanieren. Er bietet der Stadt Zürich die Möglichkeit, dort ein neues Kulturzentrum einzurichten. Bis zur konkreten Umsetzung sind verschiedene Zwischennutzungen vorgesehen.
Wichtige Punkte
- Unternehmer Werner Hofmann hat das Gauss-Stierli-Areal in Seebach erworben.
- Er plant die Sanierung der denkmalgeschützten Fabrikhallen.
- Die Stadt Zürich könnte in den Hallen ein neues Kulturzentrum einrichten.
- Es finden bereits Gespräche mit dem Präsidialdepartement statt.
- Zwischennutzungen wie Padel-Plätze und eine Oldtimer-Ausstellung sind geplant.
Neuer Eigentümer und erste Pläne für das Areal
Die Backsteinbauten des Gauss-Stierli-Industrieareals in Seebach standen lange leer. Seit dem 17. September 2025 um 16 Uhr gehört das Areal der Businesspark Dietschiberg AG von Werner Hofmann. Der 74-jährige Unternehmer hat das Grundstück, das eine Fläche von fast zwei Fussballfeldern umfasst, nach zweijährigen Verhandlungen erworben.
Hofmann äusserte sich begeistert über das Potenzial der Hallen. Er betonte die Geschichte des Ortes, an dem einst hart gearbeitet wurde. Vor 50 Jahren war Hofmann selbst auf dem Areal tätig; seine Firma installierte damals die WC-Anlagen. Dies war sein erster Auftrag als selbstständiger Unternehmer.
Fakten zum Areal
- Eigentümerwechsel: 17. September 2025
- Fläche: Entspricht fast zwei Fussballfeldern
- Lage: Zürich-Seebach, letzte grosse Brachfläche in Zürich-Nord
Sanierung und Vision eines Kulturzentrums
Als ersten Schritt will Hofmann die denkmalgeschützte Fabrikhalle sanieren. Bis Mitte 2026 sollen alle Schadstoffe entfernt sein. Danach sucht er eine neue Mieterschaft. Seine bevorzugte Option ist die Stadt Zürich. Er möchte ihr die Gelegenheit geben, ein Kulturgebäude in den Hallen einzurichten. Die notwendige Infrastruktur müsste die Stadt selbst einbauen.
«Ich möchte der Stadt Zürich die Chance geben, dort ein Kulturgebäude einzurichten. Die entsprechenden Infrastrukturen müsste sie selbst einbauen.» – Werner Hofmann
Ein solches Kulturzentrum könnte in seiner Grösse mit dem Schiffbau im Kreis 5 vergleichbar sein. Lukas Wigger, Sprecher des Stadtzürcher Präsidialdepartements, bestätigte, dass bereits ein erstes Gespräch stattgefunden hat. Eine baldige Besichtigung des Areals ist geplant.
Vielfältige Zwischennutzungen bis zur endgültigen Entwicklung
Sollte die Stadt Zürich das Angebot nicht annehmen, sind auch private Nutzungen denkbar. Hofmann nannte Eventräume oder ein Handwerkerzentrum als mögliche Optionen. Die nicht denkmalgeschützten Flächen des Areals sollen im Baurecht vergeben werden, vorzugsweise an eine Genossenschaft.
Bis zur langfristigen Nutzung plant Hofmann verschiedene Zwischennutzungen. Das Unternehmen Padelta wird beispielsweise ein Angebot für die Racketsportart Padel in der Shedhalle aufbauen. Diese Halle soll später abgerissen werden.
Hintergrund: Werner Hofmann
Werner Hofmann ist bekannt für aussergewöhnliche Projekte. Im Jahr 2010 pachtete er das stillgelegte Luxushotel Atlantis in Zürich, um Studierenden günstige Unterkunft zu ermöglichen. 2013 erwarb er das Restaurant Sonne in Dielsdorf, das heute in Kooperation mit der Stiftung Vivendra betrieben wird.
Aktuelle und geplante Zwischennutzungen
- Padel-Sport: Padelta richtet Padel-Plätze ein.
- Firmenansiedlung: Die Firma Schlagenhauf mietet sich auf einem Teil des Areals ein.
- Schulräume: Die Freie Oberstufenschule Zürich wird Räume beziehen.
- Kunst und Kultur: Das Areal wurde bereits für eine Veranstaltung der Fachstelle Kunst im öffentlichen Raum (KiÖR) genutzt.
- Oldtimer-Ausstellung: Ab dem 1. November findet eine Ausstellung von Oldtimern statt, die früher in den Hallen produziert wurden. Der Eintritt ist kostenlos.
Die bewegte Geschichte des Gauss-Stierli-Areals
Das Gauss-Stierli-Areal ist ein wichtiger Zeuge der industriellen Entwicklung des Quartiers Seebach. Die Geschichte der Fabrikanlagen ist lang und wechselhaft.
Im Jahr 1899 errichtete die Eisenhandelsfirma Stierli die erste Fabrikhalle auf dem dreieckigen Gelände zwischen den Bahnlinien. 1910 wurde das Gebäude zum Firmensitz der Aufzüge- und Räderfabrik Seebach. In den folgenden Jahren wurde die Fabrik mehrfach erweitert. Dort wurden unter anderem Maschinengewehre und Munition hergestellt.
Vom Rüstungsbetrieb zum Autobauer
Gegen Ende des Ersten Weltkriegs sank die Nachfrage nach Rüstungsgütern. Ab 1918 begann die Produktion von Autos unter dem Namen «Seebacher». Es entstanden einige Dutzend Automobile, doch das Geschäft war nicht rentabel. 1924 ging das Unternehmen in Liquidation.
Mitte des letzten Jahrhunderts begann die Ära von «Gauss & Co., Eisenhandlung, Metalle und Maschinen». Die Gründer Christian und Kurt Gauss mieteten sich zunächst ein. Ab 1988 gehörte der Firma das gesamte Areal, bis es 1990 verkauft wurde.
Historische Meilensteine
- 1899: Erste Fabrikhalle durch Eisenhandelsfirma Stierli errichtet.
- 1910: Firmensitz der Aufzüge- und Räderfabrik Seebach.
- 1918: Beginn der Automobilproduktion («Seebacher»).
- 1924: Unternehmen geht in Liquidation.
- 1988: Gauss & Co. erwirbt das gesamte Areal.
- 1990: Ende der Nutzung als Industriestandort.
Gescheiterte Projekte und neue Hoffnungen
Nach dem Ende der industriellen Nutzung gab es verschiedene Pläne für das Areal. Die neuen Eigentümerinnen, die Migros und die Eisenhof AG, präsentierten 1991 ein Projekt für ein Quartierzentrum mit einem Hochhaus. Dieses Projekt wurde nach einem Architekturwettbewerb entwickelt und 1993 von Stimmvolk und Gemeinderat gutgeheissen. Aus wirtschaftlichen Gründen verzichteten die Eigentümerinnen jedoch 1997 auf die Umsetzung.
Im Jahr 2012 erwarb die Stierli Real Estate AG das Areal. Sie plante ein «Art Center 468» für rund 200 Millionen Franken. Dieses Zentrum sollte Ausstellungsräume, Ateliers und einen «Kunsttresor» für die Lagerung privater Kunstschätze bieten. Das ambitionierte Projekt sollte ab 2019 umgesetzt werden.
«In der Phase der konkreten Umsetzung haben wir jedoch festgestellt, dass die Rahmenbedingungen nicht im gewünschten Mass zusammengepasst haben.» – Markus Schad Müller, Geschäftsführer Stierli Real Estate AG
Geschäftsführer Markus Schad Müller erklärte, dass die Rahmenbedingungen nicht wie gewünscht zusammenpassten. Man entschied sich, das Vorhaben nicht weiterzuführen, um die Qualität der Idee nicht durch Kompromisse zu gefährden. Der Verkauf an Werner Hofmann war ein konsequenter Schritt.
Am Frauenstreiktag im Juni 2019 wurde die Fabrik kurzzeitig besetzt. Die Forderung war damals ein Kulturzentrum. Danach wurde es still um das Gauss-Stierli-Areal. Mit Werner Hofmanns Übernahme beginnt nun ein neues Kapitel. Er ist motiviert, das Areal wieder auf eine Weise zu nutzen, die den Menschen Freude bereitet.
Die aktuellen Veranstaltungen, wie die Oldtimer-Ausstellung ab dem 1. November, sind kostenlos zugänglich. Hofmann betont, dass es ihm nicht ums Reichwerden geht, sondern um die Freude an der Wiederbelebung des Areals.





