Eine kontroverse Debatte über angebliche rituelle Gewalt an Kindern in der Schweiz, die vor einigen Jahren für grosses Aufsehen sorgte, flammt erneut auf. Im Zentrum steht der Verein «Cara», der durch einen neuen Film wieder an die Öffentlichkeit tritt und seine umstrittenen Thesen verbreitet.
Die Organisation war bereits 2021 durch eine Fernsehdokumentation landesweit bekannt geworden und hatte eine heftige Diskussion über die Glaubwürdigkeit von Verschwörungserzählungen ausgelöst.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein neuer Film rückt den Verein «Cara» und das Thema der rituellen Gewalt erneut in den öffentlichen Fokus.
- Die Organisation behauptet, dass in der Schweiz organisierte, satanistische Netzwerke Kinder missbrauchen.
- Bereits 2021 sorgte eine SRF-Dokumentation über den Verein für eine landesweite Kontroverse.
- Fachleute aus Psychologie, Justiz und Kinderschutz äussern sich seit Jahren kritisch und warnen vor den Folgen solcher unbelegten Behauptungen.
Ein Film als neuer Katalysator
Nach einer Phase relativer Ruhe um den Verein «Cara» (Care About Ritual Abuse) sorgt nun ein neuer Film dafür, dass die Thematik wieder an Brisanz gewinnt. Die Organisation nutzt die damit verbundene Aufmerksamkeit, um ihre Thesen von weitverbreiteter, organisierter ritueller Gewalt gegen Kinder erneut zu platzieren.
Diese Erzählungen beinhalten schwere Vorwürfe über angebliche satanistische Kulte, die Kinder in geheimen Zeremonien misshandeln würden. Der Verein präsentiert sich als Anlaufstelle für Betroffene und versucht, politische und gesellschaftliche Anerkennung für seine Anliegen zu finden.
Die Rolle von «Cara»
Der Verein unter der Leitung seines Präsidenten Fritz Bamert tritt als Interessenvertretung für Menschen auf, die angeben, Opfer ritueller Gewalt geworden zu sein. Er fordert mehr Gehör für diese Erzählungen und kritisiert Behörden und Fachstellen dafür, die Thematik nicht ernst genug zu nehmen.
Die Organisation argumentiert, dass einflussreiche Kreise die Existenz solcher Netzwerke vertuschen würden. Diese Behauptungen bewegen sich oft im Bereich von Verschwörungstheorien und stossen bei Experten auf grosse Skepsis.
Rückblick: Die Kontroverse von 2021
Einem breiten Publikum wurde der Verein «Cara» im Dezember 2021 bekannt. Damals strahlte das Schweizer Fernsehen (SRF) die Recherche «Der Teufel mitten unter uns» aus. Der Film gewährte tiefe Einblicke in die Gedankenwelt der Organisation und ihres Präsidenten.
In der Dokumentation äusserte sich Fritz Bamert ausführlich zu seinen Überzeugungen. Er sprach von organisierten Tätergruppen, die systematisch Kinder missbrauchen, um sie gefügig zu machen und in ihre angeblichen Kulte zu integrieren. Diese Aussagen lösten eine Welle der Empörung, aber auch der Verunsicherung aus.
Hintergrund: Die «Satanic Panic»
Die von «Cara» verbreiteten Erzählungen weisen starke Parallelen zur sogenannten «Satanic Panic» auf, die in den 1980er- und 1990er-Jahren vor allem in den USA für grosses Aufsehen sorgte. Damals führten unbegründete Anschuldigungen über satanistische Rituale in Kindergärten zu langwierigen und aufsehenerregenden Gerichtsprozessen. Später stellte sich heraus, dass die Vorwürfe auf falschen Erinnerungen und suggestiven Befragungstechniken basierten. Viele der damals Verurteilten wurden nachträglich rehabilitiert.
Die SRF-Dokumentation zeigte auf, wie fragil die Beweislage für die Behauptungen von «Cara» ist und wie sehr die Narrative bekannten Verschwörungsmythen ähneln. Der Film führte zu einer öffentlichen Distanzierung vieler Fachorganisationen vom Weltbild des Vereins.
Die kritische Haltung der Fachwelt
Experten aus den Bereichen Kinderschutz, Psychologie und Strafverfolgung stehen den Thesen von «Cara» seit Langem kritisch gegenüber. Sie betonen, dass es für die Existenz grossangelegter, satanistischer Netzwerke, die rituellen Missbrauch praktizieren, keine stichhaltigen Beweise gibt.
«Wir nehmen jeden Hinweis auf Kindesmissbrauch extrem ernst. Aber für die Behauptungen über organisierte, rituelle Gewalt fehlt jede Form von belastbaren, objektiven Beweisen, die einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würden.»
Diese Aussage eines Vertreters einer kantonalen Kinderschutzbehörde spiegelt den Konsens der Fachwelt wider. Zwar ist unbestritten, dass es schreckliche Fälle von Kindesmissbrauch gibt, auch durch mehrere Täter. Die spezifische Erzählung von satanistischen Kulten, wie sie «Cara» verbreitet, lässt sich jedoch nicht belegen.
Gefahren für Betroffene und die Gesellschaft
Fachleute warnen vor den potenziellen Gefahren, die von solchen unbelegten Theorien ausgehen. Sie können dazu führen, dass:
- Ressourcen falsch eingesetzt werden: Die Konzentration auf fiktive Bedrohungen lenkt von den realen Gefahren für Kinder ab.
- Echte Opfer verunsichert werden: Die Vermischung von Fakten und Fiktion kann die Aufarbeitung realer Missbrauchsfälle erschweren.
- Unschuldige zu Unrecht beschuldigt werden: Die Geschichte der «Satanic Panic» zeigt, wie schnell aus Gerüchten falsche Anschuldigungen entstehen können, die Existenzen zerstören.
- Das Vertrauen in Institutionen untergraben wird: Pauschale Vorwürfe gegen Justiz, Polizei und Kinderschutzbehörden schaden dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Keine gerichtlichen Verurteilungen
Trotz jahrzehntelanger Behauptungen über satanistisch-rituellen Missbrauch gibt es in der Schweiz und den meisten anderen westlichen Ländern keine einzige rechtskräftige Verurteilung, die die Existenz eines solchen organisierten Netzwerks beweisen würde. Ermittlungen in diese Richtung wurden stets mangels Beweisen eingestellt.
Eine andauernde Herausforderung
Die erneute Medienpräsenz des Vereins «Cara» zeigt, wie hartnäckig sich bestimmte Narrative halten können, auch wenn es an Fakten mangelt. Für Medien, Behörden und die Öffentlichkeit bleibt es eine Herausforderung, zwischen berechtigten Sorgen um den Kinderschutz und der Verbreitung von potenziell schädlichen Verschwörungstheorien zu unterscheiden.
Die Debatte verdeutlicht die Notwendigkeit einer faktenbasierten Auseinandersetzung mit dem Thema Kindesmissbrauch. Der Schutz von Kindern ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben. Dieser Schutz wird jedoch am besten durch die Stärkung bewährter Institutionen und die konsequente Verfolgung realer Straftaten gewährleistet, nicht durch die Jagd nach Phantomen.





