Am frühen Mittwochmorgen durchbrach ein Ambulanzjet die nächtliche Stille am Flughafen Zürich. Eine Cessna Citation Encore+ landete um 5:22 Uhr aus Hannover und startete nur 16 Minuten später wieder. Der Einsatz stand im Dienst einer lebensrettenden Organtransplantation und verdeutlicht die entscheidende Rolle der Luftfahrt in der Transplantationsmedizin.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Ambulanzjet landete am Mittwochmorgen während des Nachtflugverbots am Flughafen Zürich.
- Der Flug diente dem schnellen Transport eines Spenderorgans, wie Swisstransplant bestätigte.
- Die Maschine blieb nur 16 Minuten am Boden, bevor sie nach Luxemburg weiterflog.
- Solche medizinischen Flüge sind vom Nachtflugverbot ausgenommen, da jede Minute zählt.
- Ende 2023 warteten in der Schweiz 1335 Personen auf ein Organ.
Ein Einsatz gegen die Zeit
Am Mittwochmorgen, lange vor dem regulären Flugbetrieb, landete eine Maschine der deutschen Fluggesellschaft Aerowest auf der Piste 16 des Flughafens Zürich. Die Landung um 5:22 Uhr erfolgte während der strengen Nachtruhe, die normalerweise zwischen 23:00 und 6:00 Uhr gilt. Für medizinische Notfälle wie diesen gibt es jedoch Ausnahmegenehmigungen, denn bei Organtransporten ist Zeit der kritischste Faktor.
Die Cessna mit der Kennung D-CAPB kam aus Hannover, dem Heimatstandort von Aerowest, einem Unternehmen, das sich auf Ambulanz- und Organtransportflüge spezialisiert hat. Die Kommunikation zwischen dem Cockpit und dem Kontrollturm, die über den Flugfunk zu hören war, machte die Dringlichkeit des Einsatzes deutlich. Auf die Frage des Towers, wie lange der Aufenthalt dauern würde, antwortete die Crew, man werde umgehend wieder starten, sobald das Ärzteteam bereit sei.
Das Nachtflugverbot in Zürich
Am Flughafen Zürich gilt von 23:30 Uhr bis 6:00 Uhr ein striktes Nachtflugverbot. Planmässige Flüge dürfen nur bis 23:00 Uhr stattfinden. Ausnahmen werden nur für dringende medizinische Flüge, Rettungseinsätze oder aus Sicherheitsgründen erteilt. Diese Regelung dient dem Schutz der Anwohner vor Fluglärm.
Swisstransplant bestätigt Organtransport
Auf Anfrage bestätigte Franz Immer, CEO und medizinischer Direktor von Swisstransplant, den Zweck des Fluges. „Der Flug erfolgte in unserem Auftrag über unseren Logistikpartner Alpine Air Ambulance“, erklärte er. Swisstransplant ist die nationale Stiftung für Organspende und Transplantation und koordiniert alle damit verbundenen Aktivitäten in der Schweiz.
„Der Flug erfolgte in unserem Auftrag über unseren Logistikpartner Alpine Air Ambulance.“ - Franz Immer, CEO Swisstransplant
Aus Gründen des Datenschutzes und der gesetzlich vorgeschriebenen Anonymität von Spender und Empfänger wurden keine weiteren Details zum genauen Organ oder zum Zielkrankenhaus bekannt gegeben. Klar ist jedoch, dass solche Einsätze eine minutiös geplante Logistikkette erfordern, bei der Flugcrews, Ärzte und Bodenpersonal perfekt zusammenarbeiten müssen.
Offensichtlich verlief die Übergabe reibungslos. Das medizinische Personal war pünktlich vor Ort, und der Jet konnte bereits um 5:38 Uhr wieder abheben. Der Start erfolgte von Piste 14 in Richtung Norden mit dem Ziel Luxemburg.
Der Wettlauf um Leben
Bei einer Organtransplantation zählt jede Minute. Je nach Organ beträgt die sogenannte Ischämiezeit – die Zeit, in der das Organ nicht durchblutet wird – nur wenige Stunden. Ein Herz oder eine Lunge müssen beispielsweise innerhalb von vier bis sechs Stunden transplantiert werden. Leber und Bauchspeicheldrüse halten etwas länger durch, Nieren am längsten.
Wartezeiten für Organe
Die durchschnittliche Wartezeit auf ein Organ variiert stark. Für eine Niere beträgt sie in der Schweiz rund drei Jahre, für ein Herz oder eine Lunge oft über ein Jahr. Die Verfügbarkeit hängt von passenden Spendern ab, bei denen Blutgruppe, Gewebemerkmale und Grösse übereinstimmen müssen.
Diese knappen Zeitfenster machen den Lufttransport oft zur einzig möglichen Lösung, um Organe über grössere Distanzen zu bewegen. Spezialisierte Flugunternehmen wie Aerowest stehen rund um die Uhr bereit, um solche lebensrettenden Missionen durchzuführen.
Rückkehr am Nachmittag
Die Reise der D-CAPB war mit dem Flug nach Luxemburg noch nicht beendet. Flugverfolgungsdaten zeigen, dass die Maschine am selben Tag um 14:10 Uhr aus Luxemburg nach Zürich zurückkehrte. Auch dieser Aufenthalt war kurz: Nur 15 Minuten später, um 14:25 Uhr, startete das Flugzeug erneut und flog zurück zu seiner Basis in Hannover.
Die Situation der Organspende in der Schweiz
Trotz Fortschritten in der Medizin bleibt die Zahl der verfügbaren Spenderorgane in der Schweiz knapp. Laut Swisstransplant standen Ende 2023 insgesamt 1335 Menschen auf der nationalen Warteliste. Im selben Jahr konnten 579 Organe von verstorbenen Personen transplantiert werden, was 499 Menschen auf der Warteliste half.
Die Zahlen zeigen eine leichte Verbesserung, doch der Bedarf übersteigt weiterhin das Angebot. Jeder Flug wie der am Mittwochmorgen ist daher ein Symbol der Hoffnung für Hunderte von Patienten und ihre Familien, die auf einen lebensrettenden Anruf warten.
- Niere: 889 Personen auf der Warteliste
- Leber: 253 Personen auf der Warteliste
- Lunge: 88 Personen auf der Warteliste
- Herz: 79 Personen auf der Warteliste
- Bauchspeicheldrüse: 25 Personen auf der Warteliste
Der nächtliche Einsatz am Flughafen Zürich ist ein stilles, aber eindrückliches Beispiel für das komplexe Zusammenspiel von Medizin, Logistik und Technik, das notwendig ist, um Leben zu retten. Während die meisten Menschen schliefen, sorgte ein kleines Team dafür, dass ein wertvolles Geschenk sicher an seinem Ziel ankam.





