Das Bezirksgericht Bülach hat einen 28-jährigen Mann zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Der Heizungsmonteur soll mit Drogenhandel ein Luxusleben finanziert haben. Die Verurteilung basiert massgeblich auf entschlüsselten Nachrichten des Krypto-Messengers SkyECC, deren Verwertbarkeit in der Schweiz umstritten ist.
Wichtige Punkte
- Ein 28-jähriger Schweizer wurde in Bülach zu zehn Jahren Haft verurteilt.
- Die Strafe erfolgte wegen Drogenhandels und weiterer Delikte.
- Beweismittel sind entschlüsselte SkyECC-Chats, deren Zulässigkeit Gerichte unterschiedlich beurteilen.
- Das Zürcher Obergericht hatte SkyECC-Beweise in einem ähnlichen Fall als unverwertbar eingestuft.
- Das Bezirksgericht Bülach sah die Verwertbarkeit der Daten jedoch als gegeben an.
Verurteilung trotz umstrittener Beweismittel
Das Bezirksgericht Bülach sprach am Dienstag ein Urteil, das schweizweit Beachtung findet. Ein 28-jähriger Mann wurde zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Angeklagte, ein Heizungsmonteur, soll mit Drogenhandel ein beträchtliches Vermögen angehäuft haben. Die Beweisführung stützte sich stark auf Kommunikation über den verschlüsselten Messenger-Dienst SkyECC.
Die Verwertbarkeit dieser Daten ist jedoch juristisch umstritten. Mitte August hatte das Zürcher Obergericht in einem ähnlichen Fall entschieden, dass über SkyECC erlangte Chatnachrichten «absolut unverwertbar» seien. Dies hatte in Polizeikreisen und bei Staatsanwaltschaften landesweit Besorgnis ausgelöst.
Hintergrund: SkyECC und die Justiz
SkyECC war ein verschlüsselter Messenger-Dienst, der nur über spezielle Krypto-Handys zugänglich war. Kriminelle nutzten ihn, weil sie sich dort sicher fühlten. Im Frühjahr 2021 gelang es Ermittlungsbehörden in Frankreich, die Daten des Dienstes anzuzapfen. Laut Europol erhielten die Strafverfolger so Zugang zu über einer Milliarde Nachrichten von mehr als 170.000 Nutzern.
In der Schweiz führte dies zur Einleitung von rund 60 Strafverfahren. Die rechtliche Bewertung der dabei gewonnenen Beweise ist jedoch komplex, da die Datenbeschaffung ohne vorherige Genehmigung der Schweizer Behörden erfolgte.
Drogenhandel und luxuriöser Lebensstil
Dem nun verurteilten 28-jährigen Schweizer wurde vorgeworfen, im Jahr 2020 mit grossen Mengen Kokain und Heroin gehandelt zu haben. Nach seiner Festnahme im Februar 2021 fanden die Ermittler bei ihm 100.000 Ecstasy-Tabletten, fast 10 Kilogramm Cannabisharz und eine Geldzählmaschine.
Der Staatsanwalt bezifferte die Gewinne des Mannes aus dem Drogenhandel auf weit über 100.000 Franken. Diese Einnahmen sollen ihm einen luxuriösen Lebensstil, einschliesslich eines Mercedes und einer Eigentumswohnung, ermöglicht haben.
"Er handelte rein egoistisch, um sich sein Luxusleben, den Mercedes und die Eigentumswohnung zu finanzieren." – Staatsanwalt im Plädoyer
Fundstücke bei der Festnahme
- 100.000 Ecstasy-Tabletten
- Fast 10 kg Cannabisharz
- Eine Geldzählmaschine
- Drogenspuren und Waffen
Weitere Anschuldigungen und Beobachtungen
Neben dem Drogenhandel wurde der Mann aufgrund seiner SkyECC-Nachrichten auch beschuldigt, mehrere Raubüberfälle auf Bijouterien und Uhrengeschäfte sowie eine Geiselnahme vorbereitet zu haben. Bei zwei Einbrüchen erbeutete er 53.000 Franken und etwa 50 Maschinenpistolen.
Die Ermittler fanden in den Chatnachrichten Fotos, die grosse Mengen Drogen und Geldbündel auf dem Tisch seiner Wohnung zeigten. Der Angeklagte verweigerte während des Prozesses die Aussage zu diesen Vorwürfen.
Nach seiner Festnahme verbrachte der Mann bereits zwei Jahre und einen Monat in Untersuchungshaft. Diese Zeit wird auf die nun verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.
Verteidigung plädiert auf Unverwertbarkeit der Beweise
Der Verteidiger des Angeklagten argumentierte, dass die SkyECC-Daten aufgrund des Obergerichtsentscheids nicht verwertbar seien. Er verwies darauf, dass die französischen Ermittlungsbehörden ohne vorherige Genehmigung der Schweiz auf die Handys zugegriffen hätten. Dies stelle eine Verletzung des Territorialprinzips und des Völkerrechts dar.
Aus diesem Grund seien weder die Chat-Daten noch die darauf basierenden Beobachtungen des Beschuldigten als Beweismittel zulässig. Der Verteidiger forderte einen Freispruch für seinen Mandanten und wies darauf hin, dass viele Anklagepunkte unklar seien und keine eindeutigen Rückschlüsse auf kriminelle Handlungen zuliessen.
"Das Obergericht hat uns in die Hände gespielt. Die Staatsanwaltschaft versucht mit allen Mitteln, die Verwertbarkeit hinzubiegen." – Verteidiger des Angeklagten
Kritikpunkte der Verteidigung
- Verletzung des Territorialprinzips und Völkerrechts bei Datenerhebung.
- Unverwertbarkeit der SkyECC-Chats und darauf basierender Beobachtungen.
- Ungenauigkeiten in der Anklage, etwa bei Drogenmenge und Reinheitsgrad.
- Geständnis zu Einbrüchen sei erzwungen worden durch unverwertbare Beweise.
Staatsanwaltschaft fordert lange Haftstrafe
Die Staatsanwaltschaft hingegen betonte die Eindeutigkeit der Beweise. Die Chats und die darin enthaltenen Fotos könnten dem Beschuldigten klar zugeordnet werden. Zudem seien in seinem Auto Streckmittel und Betäubungsmittelspuren gefunden worden. Der Angeklagte habe zudem Maschinenpistolen teilweise zu Serienfeuerwaffen umgebaut und an einen "Killer" weiterverkauft.
Der Staatsanwalt beschrieb den Mann als "abgebrühten Schwerkriminellen", der zum Zeitpunkt seiner Taten 23 Jahre alt gewesen sei und weder süchtig noch in einer Notlage. Er forderte eine Freiheitsstrafe von zwölfeinhalb Jahren und die Rückzahlung von 100.000 Franken an den Staat.
Die Staatsanwaltschaft hat bereits Beschwerde beim Bundesgericht gegen das Urteil des Obergerichts im Fall des deutschen Drogendealers eingelegt. Im europäischen Ausland würden die über SkyECC erlangten Beweise als verwertbar gelten. "Nur die Schweiz scheint einen Sonderzug fahren zu wollen", so der Staatsanwalt.
Das Urteil des Bezirksgerichts Bülach
Der vorsitzende Richter des Bezirksgerichts Bülach erklärte, dass es noch keine gefestigte Praxis zur Verwertbarkeit von SkyECC-Chats gebe. Die Ansicht einer Kammer des Obergerichts sei nur eine von mehreren möglichen Interpretationen.
Das Bezirksgericht bejahte die Verwertbarkeit der Daten. Der Richter betonte, dass allein die Nutzung der App den Verdacht auf "lusche Geschäfte" wecke. Verbrecher hätten sich in dieser "Blase" sicher gefühlt. Die Chat-Protokolle seien selbsterklärend, und einige Taten des Beschuldigten seien durch Observationen bestätigt worden.
Der Richter wies zudem darauf hin, dass Frankreich ein Rechtsstaat sei und die geografische Lage der abgehörten Telefone zum Zeitpunkt der Datenerfassung nicht bekannt gewesen sei.
Entscheidungspunkte des Gerichts
- Bejahung der Verwertbarkeit der SkyECC-Daten.
- Nutzung der App begründet Verdacht auf kriminelle Aktivitäten.
- Chat-Protokolle sind selbsterklärend.
- Observationen bestätigen einzelne Taten.
- Frankreich als Rechtsstaat handelte innerhalb seiner Kompetenzen.
Der Mann wurde wegen Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, mehrfachen Diebstahls, Hausfriedensbruchs und mehrfacher Vergehen gegen das Waffengesetz zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Vom Vorwurf der mehrfachen Vorbereitungshandlung zu Raub und Geiselnahme wurde er freigesprochen, da diese Punkte zu wenig konkretisiert waren.
Zudem muss der Beschuldigte dem Kanton Zürich 80.000 Franken als Ersatz für die Gewinne aus dem Drogenhandel zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Richter stellte in Aussicht, dass in diesem Fall "sicher das Bundesgericht entscheiden" werde.





