Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) haben den Betrieb der sogenannten «Jail-Trains» eingestellt. Diese Spezialzüge, die jahrzehntelang für den Transport von Gefangenen auf der Schiene genutzt wurden, sind nun Geschichte. Als Hauptgründe für das Ende dieser Praxis nennen die SBB marodes Rollmaterial und ein bevorstehendes Infrastrukturprojekt im Raum Bassersdorf.
Die Einstellung erfolgte diskret und wurde erst nach Anfragen von Medienvertretern bestätigt. Während die Transporte auf der Schiene eingestellt sind, werden Gefangene weiterhin über die Strasse durch das private Sicherheitsunternehmen Securitas befördert. Die spezialisierten Wagen der SBB wurden bereits verschrottet.
Wichtige Punkte
- Der Schweizer Gefängniszug wurde nach Jahrzehnten stillgelegt.
- Korrosionsschäden am Rollmaterial und ein Grossprojekt in Bassersdorf führten zur Einstellung.
- Die SBB bestätigten die Aufhebung des Vertrags mit Securitas per Ende 2024.
- Der letzte Zug fuhr bereits im April 2023.
- Jährlich wurden bis zu 16'000 Gefangene per Bahn transportiert, davon 6'000 allein über Bassersdorf.
- Die Transporte erfolgen nun ausschliesslich auf der Strasse.
- Die beiden Spezialwagen landeten im Februar 2025 auf einem Schrottplatz.
Das Ende einer langen Ära
Der Anblick der kurzen Zugkompositionen, bestehend aus Lok und Steuerwagen, gehört der Vergangenheit an. Diese Züge waren eine typisch helvetische Besonderheit im Gefangenentransport. Sie verkehrten zuletzt auf der Ost-West-Achse der Schweiz.
Ein zentraler Umladeort war der Bahnhof Bassersdorf im Grossraum Zürich. Dort gab es einen speziell eingezäunten Bereich auf dem öffentlichen SBB-Parkplatz. Dieser Bereich wurde vor über 20 Jahren eingerichtet, um Häftlinge diskret von der Strasse auf die Schiene zu überführen.
Faktencheck
- Betriebsende: April 2023
- Vertragsende: Ende 2024
- Jährliche Transporte: Bis zu 16'000 Gefangene schweizweit
- Umladungen Bassersdorf: Rund 6'000 Häftlinge pro Jahr vor COVID-19
- Anzahl Spezialwagen: 2
Die Einstellung der Spezialfahrten blieb lange unbemerkt. Die zuständigen Stellen kommunizierten das Ende nicht proaktiv. Erst auf Nachfrage bestätigten die SBB die Auflösung des Vertrags.
„Der Vertrag ‹Interkantonale Häftlingstransporte in der Schweiz› mit der Securitas wurde per Ende 2024 aufgekündigt“, teilten die SBB mit.
Der letzte Gefängniszug fuhr bereits im April 2023. Damit endete still und leise eine jahrzehntelang bewährte Praxis im Schweizer Justizvollzug.
Gründe für die Einstellung des Betriebs
Die SBB nennen mehrere Gründe für das Aus des Gefängniszugs. Ein wesentlicher Faktor waren Korrosionsschäden am Rollmaterial. Hinzu kam der notwendige Erneuerungsbedarf im Bereich der Klimatisierung der Wagen.
Eine Instandsetzung oder der Ersatz der bestehenden Steuerwagen wurde geprüft. Diese Optionen wurden jedoch als wirtschaftlich nicht vertretbar eingestuft. Das hohe Alter des Rollmaterials und eine erwartete kurze Restlebensdauer sprachen gegen diese Investitionen.
Auch die Nutzung neuerer Fahrzeuge wäre laut SBB unwirtschaftlich gewesen. Der Aufwand für Engineering und Umbau wäre zu hoch ausgefallen. Konkrete finanzielle Zahlen wurden von den SBB nicht genannt.
Hintergrund: Infrastrukturprojekt Bassersdorf
Ein weiterer wichtiger Grund für das Ende war das geplante Mehrspurprojekt Zürich–Winterthur. Dieses Projekt umfasst den Bau des neun Kilometer langen Brüttener Tunnels. Ab voraussichtlich 2026 wird der gesamte Bahnhof Bassersdorf abgebrochen und neu gebaut.
Diese Bauarbeiten bedeuten, dass der bisherige Umladeort für Gefangene in Bassersdorf für rund zehn Jahre wegfällt. Die Infrastrukturfragen waren somit ein entscheidender Faktor für die SBB, den Betrieb der Gefängniszüge einzustellen.
Verlagerung der Transporte auf die Strasse
Trotz der Einstellung des Jail-Trains werden Häftlingstransporte weiterhin durchgeführt. Die private Sicherheitsfirma Securitas erfüllt den Transportauftrag weiterhin vollumfänglich. Dies bestätigte die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), die als Auftraggeberin fungiert.
Bereits zu einem früheren Zeitpunkt wurde beschlossen, das Gefangenentransportsystem öffentlich neu auszuschreiben. Eine Ersatzbeschaffung von Rollmaterial im Rahmen des bestehenden Leistungsvertrags war daher nicht vorgesehen.
Das ursprüngliche, kombinierte Verkehrskonzept funktioniert nun ausschliesslich über die Strasse. Zweck und Organisation der Dienstleistung bleiben dabei gleich. Securitas stellt weiterhin das Begleitpersonal für die Transporte.
Umladestelle Bassersdorf bleibt vorerst in Betrieb
Vor zehn Jahren verkehrte noch eine zweite Linie auf der Nord-Süd-Achse in Richtung Innerschweiz und Tessin. Im Jahr vor der Corona-Pandemie stiegen allein in Bassersdorf etwa 6000 Häftlinge um.
Dass die Einstellung der Sonderzüge in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt blieb, liegt auch daran, dass weiterhin Gefangenentransporte zum Bahnhof Bassersdorf rollen. Diese erfolgen jedoch ausschliesslich über die Strasse.
Der eingezäunte Bereich am Bahnhof Bassersdorf wird weiterhin als Umladestelle zwischen Strassenfahrzeugen genutzt. Dies erklärte ein Sprecher von Securitas. Die behelfsmässigen Zellen in Baucontainern an dieser Station werden jedoch per Januar 2026 definitiv aufgehoben. Die Suche nach einem Ersatzstandort läuft noch.
Das Ende der Jail-Train-Wagen
Für die beiden Spezialfahrzeuge gab es keine Museumskarriere. Statt ins Verkehrshaus in Luzern führte die letzte Reise der Wagen auf einen Schrottplatz am Rhein.
Die Stiftung SBB Historic, die das historische Erbe der Schweizerischen Bundesbahnen bewahrt, sah in diesem Fall keine „besondere historische Relevanz“. Gemäss ihrem Sammlungskonzept konzentriert sich die Stiftung auf den Erhalt von „epochengerechten Zügen“. Der Spielraum für die Aufnahme von Spezialfahrzeugen in die historische Sammlung ist begrenzt.
Die Züge wurden Ende Februar 2025 zum Abbruch nach Kaiseraugst überführt. Ein Eisenbahnfan dokumentierte die umgebauten Steuerwagen kurz vor der Verschrottung in einem 8-minütigen Film, der online verfügbar ist. Der Film zeigt das Innere der Waggons mit den 18 vergitterten Zellen.





