Drohnensichtungen in der Nähe europäischer Flughäfen führen immer häufiger zu Flugausfällen und Verspätungen. Erst kürzlich musste der Flughafen Brüssel den Flugverkehr einstellen. Auch in der Schweiz sind die Auswirkungen spürbar, da der europäische Flugverkehr stark vernetzt ist.
Wichtige Erkenntnisse
- Drohnensichtungen legen europäische Flughäfen wie Brüssel und Berlin-Brandenburg lahm.
- Die Schweiz spürt die Folgen durch Verspätungen und Umleitungen, auch ohne direkte Schliessung.
- Experten vermuten eine Zunahme der Vorfälle als Teil einer hybriden Kriegsführung.
- Der Flughafen Zürich setzt ein neues Drohnendetektionssystem ein.
- Langfristige Lösungen sind komplex und erfordern internationale Zusammenarbeit.
Flugverkehr in Europa stark betroffen
Am Dienstagabend musste der Flughafen Brüssel aufgrund von Drohnensichtungen den Flugverkehr komplett einstellen. Dies ist kein Einzelfall. Bereits am vergangenen Freitag stand der Betrieb am Flughafen Berlin-Brandenburg für rund zwei Stunden still. Diese Vorfälle haben weitreichende Folgen für Reisende in ganz Europa, einschliesslich der Schweiz.
Ein Passagier, der mit Easyjet von Zürich nach Berlin fliegen wollte, berichtete von seinen Erfahrungen. Er sass bereits im Flugzeug, als die Crew informierte, dass sich der Abflug wegen Drohnen am Zielort verzögere. Das Flugzeug wurde zusätzlich betankt, um bei einer möglichen Umleitung genügend Treibstoff zu haben. Die Maschine landete schliesslich mit 45 Minuten Verspätung in Berlin.
Faktencheck
- Berlin ist die dritthäufigste Destination ab Zürich.
- Über 70 Flüge pro Woche verbinden Zürich und Berlin.
- Drohnenflüge sind in der Schweiz im Umkreis von 5 Kilometern um Flughäfen verboten.
Schlechter erging es Passagieren eines Eurowings-Fluges von Zürich nach Berlin. Kurz vor der geplanten Landung um 21:25 Uhr musste die Maschine nach Hamburg umgeleitet werden. Erst kurz vor Mitternacht erreichte das Flugzeug Berlin, nachdem es eine längere Pause in der norddeutschen Stadt eingelegt hatte.
Verdacht auf hybride Kriegsführung
Die Anzahl der Drohnenvorfälle über europäischen Flughäfen und kritischen Infrastrukturen nimmt in den letzten Wochen stark zu. Kopenhagen, Oslo, Alicante und München waren ebenfalls betroffen. Am 3. und 4. Oktober blieben in München innerhalb von 24 Stunden zweimal beide Pisten geschlossen. Dies führte zu Hunderten Verspätungen und mehr als 10.000 gestrandeten Passagieren.
«Das ist hybride Kriegsführung, die wir sehr ernst nehmen müssen.»
Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission
Führende europäische Politiker sehen Russland hinter dieser Zunahme. Ursula von der Leyen äusserte Mitte Oktober vor dem Europäischen Parlament den Verdacht, Russland wolle Europa spalten. Obwohl endgültige Beweise fehlen, halten Experten wie die deutsche Drohnenforscherin Ulrike Franke diese Annahme für wahrscheinlich.
Risiken und Folgen für den Flugverkehr
Drohnen stellen eine ernsthafte Gefahr für den Flugverkehr dar. Michel Guillaume, Direktor des Zentrums für Aviatik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), erklärt: «Eine Drohne ist viel gefährlicher als ein Vogel, da sie härter und schwerer ist.» Ein Treffer, besonders im Triebwerk eines Flugzeugs, kann gravierende Folgen haben.
Wer in der Nähe eines Flughafens eine Drohne fliegt, begeht eine Straftat. Dies kann hohe Schadensersatzforderungen nach sich ziehen. In der Schweiz kam es bisher zu keiner vollständigen Schliessung eines Flughafens aufgrund von Drohnensichtungen. Der Flughafen Zürich meldete jedoch in den letzten Jahren wiederholt Drohnensichtungen, die zu Verspätungen und der Schliessung einzelner Sektoren führten.
Hintergrundinformationen
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) betonte im Oktober, dass keine Hinweise auf böswillige, kriminelle oder terroristische Absichten bei Drohnenverstössen in der Schweiz vorliegen. Andreas Wittmer, Luftfahrtexperte und Dozent an der Universität St. Gallen (HSG), bestätigt dies. Er weist darauf hin, dass oft auch unvorsichtige Hobbypiloten zu Störungen beitragen können.
Der europäische Flugverkehr ist ein komplexes und hochvernetztes System. Eine Störung an einem Knotenpunkt, wie sie in Berlin oder München vorkam, kann eine Kettenreaktion auslösen. Dies beeinflusst auch den Flugverkehr von und in die Schweiz. Michel Guillaume von der ZHAW betont: «Wenn ein Flugzeug am Boden bleiben muss, dann hat das grosse Konsequenzen: für den betroffenen Flug, für Anschlussflüge, für die Planung der Crew. Das ist eine riesige Herausforderung für Airlines.»
Technologische Abwehr und zukünftige Herausforderungen
Der Flughafen Zürich hat Anfang des Jahres ein neues Drohnendetektionssystem in Betrieb genommen. Das von Swisscom betriebene «Drone Defence»-System erkennt Drohnen in Echtzeit und alarmiert die zuständigen Stellen automatisch. Die Swiss begrüsst diesen Schritt, da er eine präzisere Einschätzung der Gefahr ermöglicht und Flugzeuge frühzeitiger gewarnt oder umgeleitet werden können.
Die Abwehr von Drohnen oder gar das Abschiessen ist an Schweizer Flughäfen derzeit nicht möglich. Michel Guillaume setzt Hoffnung in neue Lasertechnologien, um Drohnen gezielt zu treffen. Diese Technologien sind jedoch noch nicht marktreif. Er beschreibt die aktuelle Situation als «Wettrennen zwischen den Fortschritten in der Drohnentechnologie selbst und den technischen Möglichkeiten, Drohnen abzuwehren.»
Langfristig erfordert die Lösung des Problems eine enge Zusammenarbeit zwischen Flughäfen, Flugsicherung, Airlines und den Behörden. Schnelle Lösungen sind nicht zu erwarten. Flugpassagiere in Europa und der Schweiz müssen sich daher auch in Zukunft auf Verspätungen, Umleitungen und Ausfälle durch Drohnensichtungen einstellen.





