Während Traditionsbäckereien wie der Limmatbeck ihre Türen für immer schliessen, expandieren andere Unternehmen erfolgreich. Vier Bäckereien aus dem Zürcher Unterland geben Einblick in ihre Strategien und erklären, welche Faktoren heute über Erfolg oder Misserfolg in einer anspruchsvollen Branche entscheiden.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Anzahl der Bäckereien in der Schweiz ist in den letzten 20 Jahren stark gesunken, während die verbleibenden Betriebe expandieren.
- Erfolgsfaktoren sind strategische Standortwahl, unternehmerisches Denken, ein optimiertes Sortiment und konsequente Preisgestaltung.
- Grosse Ketten wie die Confiserie Bachmann aus Luzern drängen verstärkt in den Grossraum Zürich und erhöhen den Wettbewerbsdruck.
- Auch kleine Betriebe können durch Spezialisierung und ein einzigartiges Kundenerlebnis erfolgreich sein.
Ein Markt im Wandel
Die Schliessung aller sechs Filialen des Limmatbecks ist ein weiteres Zeichen für den tiefgreifenden Wandel im Schweizer Bäckereigewerbe. Für viele Quartiere bedeutet der Verlust ihrer lokalen Bäckerei mehr als nur das Ende einer Einkaufsmöglichkeit; es ist ein Verlust von Identität und sozialem Treffpunkt.
Dieser Trend, oft als "Bäckereisterben" bezeichnet, wird durch Zahlen des Branchenverbands der Schweizer Bäcker-Confiseure gestützt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die Zahl der Verkaufsstellen um mehr als 500 auf rund 2435 gesunken. Das entspricht einem Rückgang von fast 20 Prozent.
Strukturwandel in Zahlen
Laut dem Branchenverband hat sich die Struktur des Marktes stark verändert. Heute handelt es sich bei der Hälfte aller Bäckerei-Verkaufsstellen in der Schweiz um Filialen. Dies zeigt eine klare Tendenz zur Konsolidierung, bei der grössere Unternehmen kleinere Betriebe übernehmen oder verdrängen.
Expansion als Überlebensstrategie
Gleichzeitig zur Schliessungswelle findet eine gegenläufige Bewegung statt: Erfolgreiche Betriebe wachsen und eröffnen neue Filialen. Ein prominentes Beispiel ist die Confiserie Bachmann aus Luzern. Das Familienunternehmen, das bereits seit 2013 in Zürich präsent ist, plant, seine Präsenz im Grossraum Zürich in den kommenden Monaten mehr als zu verdoppeln.
Nach der Eröffnung einer Filiale am Flughafen im Juli folgen Standorte am Bahnhof Stadelhofen, im Glattzentrum Wallisellen und 2026 am Zürcher Hauptbahnhof. Die Inhaber begründen diesen Schritt mit der Notwendigkeit, den Fortbestand des 130-jährigen Unternehmens in einer herausfordernden Branche zu sichern. Sie sind nicht allein; auch Bäckereien wie Hug, Wüst oder Moser aus anderen Kantonen haben sich erfolgreich im Zürcher Markt etabliert.
Fallbeispiel 1: Bäckerei Bosshart – Vom Dorfbeck zur Marke
Die Bäckerei-Konditorei Bosshart aus Brütten, ein Traditionsbetrieb in fünfter Generation, hat früh erkannt, dass Grösse eine Rolle spielt. Inhaber Daniel Bosshart expandierte bereits vor Jahren nach Bassersdorf und Nürensdorf. Er ist überzeugt: "Die Zeiten des reinen Dorfbäckers sind vorbei, eine gewisse Grösse ist notwendig, damit es wirtschaftlich ist."
Sein Erfolgsrezept fasst er prägnant zusammen: "Man muss nicht nur ein guter Handwerker, sondern auch ein guter Unternehmer sein." Ein wichtiger Baustein dafür sei das Marketing. Mit dem Kürzel "BBB" (Bäckerei-Konditorei Bosshart Brütten) hat er eine starke Marke geschaffen, die über die Dorfgrenzen hinaus bekannt ist.
Die Kunst der richtigen Entscheidung
Doch was unterscheidet erfolgreiche Betriebe von jenen, die aufgeben müssen? Vier Unternehmen aus der Region geben Einblick in ihre Überlegungen, die weit über das Backen von Brot hinausgehen.
Fallbeispiel 2: Bäckerei Fleischli – Die Macht des Standorts
Was 1986 als kleine Dorfbäckerei in Niederglatt begann, ist heute ein Unternehmen mit 15 Filialen und rund 300 Mitarbeitenden. Für CEO Konrad Pfister ist die sorgfältige Auswahl der Standorte entscheidend für den Erfolg.
"Ein Betrieb mit vielen umsatzschwachen Läden und ohne Topstandort funktioniert nicht. Wenn ich nicht mit mindestens 400 Kundinnen und Kunden pro Tag rechnen kann, lohnt sich ein neuer Standort nicht."
Diese Zahl verdeutlicht die Herausforderung: Bei einer Öffnungszeit von 12 Stunden muss im Schnitt alle zwei Minuten ein Verkauf stattfinden. Faktoren wie Erreichbarkeit und die Kaufkraft im Umfeld sind bei der Standortanalyse zentral. Pfister betont auch die Notwendigkeit, unrentable Filialen zu schliessen.
Die Kosten eines leeren Ladens
Konrad Pfister rechnet vor: "Um eine Angestellte zu finanzieren, die eine Stunde lang herumsteht, müssen wir 400 Gipfeli verkaufen." Diese Kalkulation zeigt, wie schnell unproduktive Zeit die Margen eines Betriebs aufzehren kann und warum eine hohe Kundenfrequenz überlebenswichtig ist.
Ein weiterer Erfolgsfaktor sei die konsequente Anpassung von Sortiment und Preisen. Pfister hat bereits mehrere Brotsorten aus dem Angebot genommen, um die Produktion zu verschlanken. Preiserhöhungen seien unumgänglich, müssten aber transparent kommuniziert werden. "Als ich wegen der Teuerung die Löhne meiner Mitarbeitenden erhöhte und gleichzeitig die Preise anpasste, zeigten die Kundinnen und Kunden überwiegend Verständnis", erklärt er.
Fallbeispiel 3: Bäckerei Hausammann – Zwischen Vielfalt und Effizienz
Die Bäckerei Hausammann, bekannt als "Zopf-Beck vo Züri", wagte den Schritt aus der Stadt aufs Land und verlegte ihre Produktion nach Regensdorf. "Wir benötigten dringend mehr Platz", sagt Inhaberin Ellen Hausammann. Der Umzug war eine Überlebensnotwendigkeit, da die hohen Mieten in der Stadt eine Expansion verunmöglichten.
Sie beschreibt den täglichen Spagat, den viele Betriebe meistern müssen: "Kleinere Vielfalt bei den Produkten führt zu weniger Attraktivität, aber ein zu grosses Sortiment zu höheren Produktionskosten." Auch die Standortfrage beschäftigt sie. Obwohl das Unternehmen acht Verkaufsstellen betreibt, fehle noch ein echter Topstandort. Das Risiko, mit schwachen Lagen unwirtschaftlich zu werden, sei zu gross, während erstklassige und bezahlbare Standorte hart umkämpft sind.
Fallbeispiel 4: Klaus Genussmanufaktur – Erfolg durch Spezialisierung
Dass auch kleine Betriebe ohne grosses Filialnetz überleben können, beweist die Klaus Genussmanufaktur in Bülach. Chocolatier Mischa Klaus bezeichnet sein Unternehmen als letzte Confiserie ihrer Art ausserhalb der grossen Städte Zürich und Winterthur. Er hat sein Café vor einigen Jahren geschlossen, um sich voll auf die Produktion und den Verkauf zu konzentrieren.
Für ihn liegt der Schlüssel zum Erfolg nicht allein in hochwertigen Produkten. Er ist überzeugt, dass es ein Gesamtpaket braucht.
"Konzept, Standort, Produkt und Preis müssen zu einem authentischen Ganzen zusammengefügt werden."
Neben exzellenten Produkten seien hervorragende Dienstleistungen und ein echtes Einkaufserlebnis entscheidend, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Dieser Fokus auf ein Nischensegment ermöglicht es ihm, als Einzelbetrieb erfolgreich zu wirtschaften.





