Die geplante Glattal-Autobahn, die als A121 bezeichnet werden sollte, wird nicht gebaut. Ein Gutachten der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich empfiehlt, das Projekt zu streichen. Als Hauptgründe werden die ausserordentlich hohen Kosten von geschätzten 5,2 Milliarden Franken sowie diverse schwerwiegende Risiken genannt. Diese Entscheidung hat direkte Auswirkungen auf die Verkehrsplanung in der Region Wallisellen.
Statt eines Neubaus wird der Fokus auf den Ausbau der bestehenden A1-Strecke zwischen Wallisellen und Brüttisellen gelegt. Dort sollen die Pannenstreifen zu regulären Fahrspuren umfunktioniert werden, um die Überlastung zu mindern. Die Gemeinden Wallisellen und Dietlikon zeigen sich erleichtert über die Absage des Autobahnprojekts.
Wichtige Punkte
- Die Glattal-Autobahn (A121) wird aufgrund von Kosten und Risiken nicht gebaut.
- Die geschätzten Projektkosten lagen bei 5,2 Milliarden Franken.
- Stattdessen werden die Pannenstreifen der A1 zwischen Wallisellen und Brüttisellen zu Fahrspuren umfunktioniert.
- Das ETH-Gutachten warnte vor Verkehrsverlagerungen ins städtische Netz.
- Die betroffenen Gemeinden Wallisellen und Dietlikon begrüssen die Streichung des Projekts.
ETH-Gutachten als Grundlage der Entscheidung
Die Empfehlung zur Streichung der Glattal-Autobahn stammt von einem Gutachten, das von ETH-Professor Ulrich Weidmann erstellt wurde. Der Bundesrat stützt sich auf diese Analyse. Das Gutachten bewertete den Bau der A121 als «ausserordentlich teuer und mit diversen schwerwiegenden Risiken behaftet».
Die ursprüngliche Kostenschätzung für das Projekt belief sich auf 5,2 Milliarden Franken, mit einer möglichen Abweichung von plus/minus 30 Prozent. Die Fertigstellung war für das Jahr 2061 geplant. Diese hohen finanziellen Anforderungen spielten eine entscheidende Rolle bei der Neubewertung des Projekts.
«Deren Bau ist ausserordentlich teuer und mit diversen schwerwiegenden Risiken behaftet.»
Überlastung der A1 als Ausgangspunkt
Der Abschnitt der Autobahn A1 zwischen Zürich-Nord und Brüttisellen zählt zu den am stärksten frequentierten Strecken der Schweiz. Täglich passieren dort rund 140'000 Fahrzeuge bei Wallisellen, was oft zu Überlastung und Staus führt. Die Glattal-Autobahn sollte diesen Engpass beheben.
Vanessa Bleich, Medienbeauftragte der ETH Zürich, bestätigte den hohen Handlungsdruck in dieser Region. Sie erklärte, dass die Problematik der Verkehrsüberlastung unbestritten sei und eine Lösung dringend notwendig ist. Die geplante Glattal-Autobahn war eine von mehreren Optionen zur Entlastung.
Faktencheck
- Kosten: 5,2 Milliarden Franken (geschätzt)
- Geplante Fertigstellung: 2061
- Verkehrsaufkommen A1 Wallisellen: 140'000 Fahrzeuge pro Tag
Fokus auf Ausbau der bestehenden A1-Strecke
Anstatt eines Neubaus wird nun der Ausbau der bestehenden Strecke Wallisellen–Brüttisellen weiterverfolgt. Bereits wurden Vorarbeiten für dieses Projekt geleistet. Der Plan sieht vor, die Pannenstreifen in reguläre Fahrspuren umzuwandeln.
Dies würde zwei zusätzliche Spuren schaffen, jeweils eine pro Fahrtrichtung, was die Kapazität der Autobahn merklich erhöhen sollte. Dieser Ausbau soll zur Entlastung des Verkehrs beitragen, ohne die hohen Kosten und Risiken eines komplett neuen Autobahnprojekts einzugehen.
Es gibt jedoch auch hier finanzielle Einschränkungen. Frau Bleich wies darauf hin, dass der Ausbau aus Kostengründen auf Prioritätsstufe 2 gesetzt werden musste. Sie fügte hinzu, dass eine frühere Realisierung des Ausbaus in Betracht gezogen werden sollte, falls die finanziellen Mittel dies zukünftig erlauben. Dies deutet darauf hin, dass die Finanzierung auch für den Ausbau eine Rolle spielt.
Risiken durch Verkehrsverlagerungen
Ein zentraler Punkt des ETH-Gutachtens waren die «schwerwiegenden Risiken» der Glattal-Autobahn. Vanessa Bleich erläuterte, dass es sich bei der geplanten Autobahn um ein sogenanntes Verknüpfungsbauwerk handelt. Solche Bauwerke sind in dicht besiedelten Gebieten sehr komplex zu realisieren.
Das Gutachten warnte vor möglichen Verkehrsverlagerungen. Durch eine neue Autobahn würde sich die Netzstruktur des Verkehrs ändern. Dies könnte zu einer Zunahme des Verkehrs im städtischen Netz führen. Solche Verlagerungen würden weitere Anpassungen und Ausbauten im städtischen Bereich erfordern, um eine Überlastung dort zu vermeiden. Dies hätte wiederum neue Kosten und Eingriffe zur Folge.
Hintergrundinformation
Verknüpfungsbauwerke sind komplexe Autobahnabschnitte, die verschiedene Verkehrswege miteinander verbinden. Sie sind besonders in urbanen Räumen eine Herausforderung, da sie oft grosse Mengen an Verkehr auf engem Raum bündeln und verteilen müssen, was zu neuen Engpässen führen kann, wenn die Planung nicht alle Eventualitäten berücksichtigt.
Konkurrenz durch andere Infrastrukturprojekte
Die Glattal-Autobahn wäre nicht nur ein teures Einzelprojekt gewesen, sondern hätte auch in Konkurrenz zu anderen dringenden Infrastrukturprojekten im schweizerischen Autobahnnetz gestanden. Laut Vanessa Bleich gibt es mehrere Projekte, die noch höhere Priorität haben und aus finanziellen Gründen in die Zeit nach 2045 verschoben wurden.
Diese Projekte wären bereits jetzt dringend notwendig. Die enorme Investition in die Glattal-Autobahn hätte die Realisierung dieser anderen, teils wichtigeren Vorhaben weiter verzögert. Die langfristige Planung des Schweizer Autobahnnetzes erfordert eine sorgfältige Priorisierung der verfügbaren Mittel.
Schienenverkehr als Alternative
Statt auf den Ausbau der Strasse setzt man im Korridor zwischen Zürich und Winterthur verstärkt auf die Schiene. Die Kapazität des Bahnnetzes soll in den kommenden Jahrzehnten markant ausgebaut werden. Zu den geplanten Massnahmen gehört der Mehrspurausbau zwischen Zürich und Winterthur sowie indirekt das vierte Gleis am Bahnhof Stadelhofen.
Diese Investitionen sollen es der Bahn ermöglichen, das zukünftige Verkehrswachstum in diesem Korridor weitgehend aufzufangen. Der Fokus auf den öffentlichen Verkehr ist Teil einer umfassenderen Strategie zur Reduzierung des Individualverkehrs und zur Förderung nachhaltiger Mobilität.
Reaktionen der Gemeinden
In den direkt betroffenen Gemeinden Wallisellen und Dietlikon wird die Streichung des Autobahnabschnitts durch das Glattal mehrheitlich positiv aufgenommen. Obwohl die Autobahn überwiegend unterirdisch, also in einem Tunnel, verlaufen wäre, gab es Bedenken bezüglich der Auswirkungen auf das Siedlungsgebiet.
Marcel Amhof, stellvertretender Gemeindeschreiber von Wallisellen, erklärte in einer Stellungnahme, dass das Siedlungsgebiet von Wallisellen-West durch den Neubau «unakzeptabel belastet» worden wäre. Auch der geplante Anschluss Zürich-Nord habe nicht überzeugt.
Dietlikons Gemeindepräsidentin Edith Zuber (SVP) äusserte sich ebenfalls erleichtert. Sie sah den Tunnel zwar als das kleinere Übel im Vergleich zu einer oberirdischen Strassenführung. Dennoch hätte das Projekt Einschränkungen für die Dietliker Bevölkerung mit sich gebracht. Zum Beispiel wäre der Bau von Erdsonden nicht mehr so einfach möglich gewesen.
- Wallisellen: Siedlungsgebiet wäre «unakzeptabel belastet» worden.
- Dietlikon: Einschränkungen für die Bevölkerung, beispielsweise beim Bau von Erdsonden.
Die Entscheidung über das Projekt geht nun ins Parlament zur weiteren Beratung. Ein mögliches Referendum gegen die Priorisierung könnte dazu führen, dass die Bevölkerung letztlich darüber abstimmt. Dies unterstreicht die demokratischen Prozesse in der Schweiz bei grossen Infrastrukturprojekten.
Die Diskussion um die Glattal-Autobahn zeigt die komplexen Abwägungen zwischen Verkehrsbedürfnissen, Umweltschutz, Kosten und den Interessen der lokalen Bevölkerung. Die aktuelle Entscheidung spiegelt einen Trend wider, der den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Optimierung bestehender Infrastrukturen gegenüber teuren Neubauten priorisiert.





