In Winterthur sorgt das geplante Bauprojekt zur Sanierung der Technikumstrasse für Diskussionen. Verkehrsverbände und Umweltschützer fordern einen sofortigen Planungsstopp und eine grundlegende Überarbeitung des Vorhabens. Im Zentrum der Kritik steht die geplante Fällung von 31 alten Kastanienbäumen.
Die Stadt Winterthur plant, die Bäume im Rahmen der umfassenden Strassensanierung zu entfernen. Die Gegner des Projekts befürchten nicht nur einen ökologischen Verlust, sondern sehen auch Mängel bei der Verkehrssicherheit und der Fussgängerführung. Sie warnen vor einem Scheitern der Vorlage im Stadtparlament, sollte der Stadtrat die Pläne nicht anpassen.
Wichtige Punkte
- Verkehrsverbände fordern Überarbeitung des Sanierungsprojekts Technikumstrasse.
- Geplante Fällung von 31 über 60-jährigen Kastanienbäumen stösst auf Widerstand.
- Kritik an Spurbreiten für Velos und grosse Fahrzeuge.
- Geplante Fussgängerquerung mit Mittelinseln wird als ungeeignet bewertet.
- Experten betonen ökologischen Wert der bestehenden Bäume.
Geplante Sanierung und der Widerstand
Die Technikumstrasse ist eine zentrale Verkehrsachse in Winterthur. Eine Sanierung ist dringend notwendig. Dies betrifft unter anderem den Ersatz von Abwasserkanälen, die teilweise über 100 Jahre alt sind. Die Planungen für dieses Grossprojekt laufen bereits seit vielen Jahren. Anfang des Jahres präsentierte der Stadtrat die neuesten Pläne und setzte das Projekt fest. Gegen diese Festsetzung reichten Privatpersonen Rekurs beim Regierungsrat ein.
Nun haben verschiedene Verkehrsverbände, die Fondation Franz Weber und private Rekurrenten ihren Widerstand verstärkt. Sie forderten den Stadtrat Winterthur in einem Appell auf, das Projekt zu stoppen und neu zu bewerten. Viele der vorgebrachten Argumente sind nicht neu und wurden bereits in früheren Projektphasen geäussert.
Faktencheck
- 31 Kastanienbäume sollen gefällt werden.
- Die Bäume sind mehrheitlich 60 bis 80 Jahre alt.
- Eine einzelne Kastanie bindet 13 bis 18 kg CO₂ pro Tag.
- Sie verdunstet 200 bis 300 Liter Wasser pro Tag.
- Dies kühlt die Umgebung um 5 bis 10 Grad Celsius.
Michael Graf, Sprecher des Departements Bau und Mobilität, weist darauf hin, dass der Stadtrat das Projekt derzeit nicht ändern kann, da es bereits festgesetzt ist. Er betont, dass die gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkung stattgefunden habe. Viele der Kritikpunkte seien Teil des laufenden Rekursverfahrens beim Regierungsrat. Graf kritisiert die Medienkonferenz der Verbände als Versuch, die etablierten Mitwirkungsprozesse zu untergraben.
Die Baumfällungen: Ein zentraler Streitpunkt
Die grösste Kontroverse dreht sich um die geplante Fällung von 31 Kastanienbäumen. Diese Bäume sind zum Grossteil zwischen 60 und 80 Jahre alt. Baumpflegespezialist Fabian Dietrich, der auch die Fondation Franz Weber vertrat, plädierte an einer Medienveranstaltung eindringlich für den Erhalt der Bäume.
«Es ist völlig unverständlich, in Zeiten des Klimawandels, in denen sich der städtische Raum erwärmt, Bäume zu fällen», sagte Fabian Dietrich.
Dietrich hob die ökologischen Leistungen der Bäume hervor. Eine einzelne Kastanie kann pro Tag zwischen 13 und 18 Kilogramm CO₂ binden. Das entspricht etwa fünf bis sechs Tonnen pro Jahr. Zudem verdunstet sie täglich 200 bis 300 Liter Wasser, was die Umgebungsluft um 5 bis 10 Grad Celsius kühlt. Diese Effekte sind besonders wichtig in einem sich erwärmenden Stadtklima.
Wurzelschäden und Ersatzpflanzungen
Der Baumpflegespezialist argumentiert, dass junge Ersatzbäume diese Leistungen bei weitem nicht erbringen könnten und an der Technikumstrasse Schwierigkeiten hätten, überhaupt zu gedeihen. Der Aufwand für die Stadtgärtnerei Winterthur wäre enorm und aus seiner Sicht eine Verschwendung von Steuergeldern. Kastanien können bis zu 300 Jahre alt werden, die jetzigen Bäume seien also noch im «Teenageralter».
Michael Graf vom Departement Bau und Mobilität verweist auf ein Gutachten. Dieses Gutachten besagt, dass die Wurzelräume der bestehenden Bäume durch die geplanten Bauarbeiten stark beschädigt würden. Dies hätte zur Folge, dass die Bäume nach etwa zehn Jahren absterben würden. Daher sei eine Fällung unumgänglich.
Hintergrund zur Technikumstrasse
Die Technikumstrasse ist nicht nur eine wichtige Verkehrsader, sondern verbindet auch die Winterthurer Altstadt mit dem Wissensquartier, wo sich die ZHAW befindet. Angesichts der wachsenden Studentenzahlen wird diese Verbindung in Zukunft noch wichtiger werden. Die Sanierung umfasst den Ersatz alter Infrastrukturen wie Abwasserkanäle, die teils über 100 Jahre alt sind.
Sicherheitsbedenken bei Spurbreiten
Ein weiterer Kritikpunkt der Verbände betrifft die Verkehrssicherheit. Das Projekt sieht für den motorisierten Individualverkehr 3 Meter breite Spuren vor und für Radstreifen 1,5 Meter. Bei einem Überholvorgang eines Velos durch ein breites Fahrzeug wie einen Stadtbus oder Lastwagen bliebe ein Überholabstand von nur 50 Zentimetern.
Die Rechtsprechung fordert bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h einen Überholabstand von 0,9 bis 1 Meter. Dies würde bedeuten, dass breite Motorfahrzeuge auf der Technikumstrasse, einer der meistbefahrenen Strassen Winterthurs, Velos nicht mehr sicher überholen könnten.
Breite von Lastwagen
Christian Meier von agil-mobil Winterthur, der auch für die FDP im Stadtparlament politisiert, wies auf die tatsächliche Breite moderner Lastwagen hin. Mit Seitenspiegeln sind diese oft 3,1 Meter breit. Er befürchtet, dass Lastwagenfahrer, die den Velostreifen akzeptieren, bei Gegenverkehr mit einem Bus oder einem anderen Lastwagen kollidieren könnten.
Graf betont, dass die Stadt normkonform plane. Die Frage der Überholabstände sei Teil des Rekurses und eine Klärung durch den Regierungsrat werde erwartet. Er ist zuversichtlich, dass der Rekurs die Behauptung, es sei kein normgerechtes Überholen möglich, widerlegen wird.
Kritik an der Fussgängerquerung
Die Sanierung der Technikumstrasse beinhaltet auch eine neue Form der Fussgängerquerung, das sogenannte flächige Queren. Dies bedeutet, dass Fussgänger die Fahrbahn über einen gesamten Streckenabschnitt hinweg überqueren dürfen, nicht nur an markierten Fussgängerstreifen. Um dies zu ermöglichen, ist eine 2 Meter breite Mittelinsel zwischen den Fahrbahnen geplant.
Fussverkehr Schweiz kritisiert dieses Konzept an der Technikumstrasse als ungeeignet. Die hohen Kanten bei den Bushaltestellen und die Lichtsignalanlage würden die Nutzung des Mittelbereichs stark einschränken. Flächiges Queren funktioniere nur, wenn es tatsächlich flächig möglich sei. Dies sei mit dem aktuellen Projekt nicht gegeben.
- Problem: Eingeschränkte Nutzung der Mittelinsel durch hohe Kanten.
- Problem: Flächiges Queren ist bei mehreren Spezialspuren (Velostreifen, Busspuren) nicht ideal.
- Folge: Mittelinseln verbreitern den Querschnitt ohne echten Nutzen für Fussgänger.
- Konsequenz: Weniger Raum für baumerhaltende Lösungen.
Zudem wird von flächigem Queren abgeraten, wenn eine Strasse, wie die Technikumstrasse, mehrere Spezialspuren wie Velostreifen und Busspuren aufweist. Die 2 Meter breiten Mittelinseln würden den Strassenquerschnitt unnötig verbreitern und dabei Spielraum für baumerhaltende Lösungen nehmen.
Michael Graf sieht die Sache anders. Er argumentiert, dass mit Tempo 30 und einem breiten Mehrzweckstreifen das flächige Queren einfacher und sicherer werde als heute. De facto werde es bereits praktiziert, wenn auch ohne Mittelinsel und damit gefährlicher. Die Verbindung zwischen Altstadt und Wissensquartier gewinne durch die steigende Studentenzahl an Bedeutung, was solche Querungen notwendig mache.
Drohendes Scheitern im Stadtparlament
Die Verkehrsverbände warnen vor politischen Konsequenzen, sollte der Stadtrat ihren Forderungen nicht nachkommen. Sie drohen damit, dass das Stadtparlament den Kredit für die Sanierung der Technikumstrasse ablehnen könnte. Sie verweisen auf den Fall der Frauenfelderstrasse Ende August, wo ein ähnliches Projekt scheiterte.
Michael Graf warnt vor einem solchen Szenario:
«Ein Nein zum Kredit käme einem Totalausfall gleich, und die längst nötige Kanal- und Strassensanierung würde auf Jahre verzögert.»Er betont, dass eine Ablehnung des Kredits die dringend notwendigen Infrastrukturarbeiten, einschliesslich der Kanal- und Strassensanierung, um Jahre verzögern würde. Dies hätte erhebliche negative Auswirkungen auf die städtische Infrastruktur und die Mobilität in Winterthur.





